Fahrlehrer in Mönchengladbach „Fahrschüler nehmen in Kauf, durchzufallen“

Mönchengladbach · Fahrlehrer Willi Schmitz spricht über Scheitern bei der Prüfung und Betrugsversuche. Und er sagt, warum er sich Tempo 50 wünscht.

 Willi Schmitz ist seit 1993 Fahrlehrer.

Willi Schmitz ist seit 1993 Fahrlehrer.

Foto: Bauch, Jana (jaba)

Herr Schmitz, wie oft sind Sie durch die Führerscheinprüfung gefallen?

Schmitz In Theorie bin ich nie durchgefallen, aber jeweils einmal durch die praktische Prüfung für den Pkw- und den Lkw-Führerschein.

Wissen Sie noch, warum?

Schmitz Bei der Fahrprüfung für den Pkw-Führerschein habe ich vorschriftsmäßig an der grünen Ampel gehalten, weil der Verkehr stockte. Als sich das Ganze auflöste, bin ich sozusagen mitgeschwommen, hatte nur leider nicht beachtet, dass die Ampel inzwischen Rot zeigte. Tja, durchgefallen.

Das Kraftfahrt-Bundesamt hat darauf aufmerksam gemacht, dass inzwischen jeder dritte Fahrschüler durch die Theorieprüfung fällt. Bei der praktischen Prüfung gibt es auch eine sehr hohe Durchfallerquote. Machen Sie diese Erfahrung auch?

Schmitz Ja, ich kenne das Problem auch, aber ich steuere mit einer Vorprüfung gegen. Meine Schüler machen ihre 14 Theoriestunden und sie können mit einer App üben, entweder auf dem Smartphone oder auf dem PC. Ich sehe auch, ob sie das getan haben. Dann kommen sie zu einem Vortest in die Fahrschule und erst danach geht es zur Prüfung. Damit sinkt die Quote von mehr als 30 auf ungefähr 20 Prozent.

Woran liegt es Ihrer Meinung nach, dass so viele Fahrschüler durchfallen?

Schmitz Zum einen bereiten sich die Schüler nicht mehr so gut vor wie früher. Sie nehmen es bei der theo­retischen Prüfung in Kauf, durchzufallen. Der Führerschein ist für sie nicht mehr so wichtig. Bei anderen liegt es an der Sprache. Seit 2015 sind viele Asylbewerber unter den Prüflingen. Sie haben sprachliche Probleme und fallen drei, vier oder fünf Mal durch. Man muss die theoretische Prüfung übrigens nicht auf Deutsch ablegen. Es sind auch viele andere Sprachen von Russisch bis Arabisch möglich.

Wird bei der Theorieprüfung betrogen? In Hessen zum Beispiel überprüft der TÜV die Prüflinge inzwischen auf versteckte Kameras und verborgene Kopfhörer im Ohr. Sie müssen auch Westen überziehen, die eventuelle Kameras abdecken.

Schmitz Es kommt vor, dass Leute versuchen, während der Prüfung über Kamera und Funk an die Lösungen zu kommen. Wenn das auffliegt, werden sie rausgeworfen und das Straßenverkehrsamt kann eine Sperre verhängen. Es kommt wohl auch vor, dass der Bruder oder Freund mit einem falschen Personalausweis bei der Prüfung auftaucht.

Wie oft darf man eigentlich zur theoretischen Prüfung antreten?

Schmitz Beliebig oft innerhalb eines Jahres. Man muss Sehtest, Erste-Hilfe-Kurs und einiges mehr vorlegen, das wird dann kontrolliert. Es wird auch überprüft, ob Punkte in Flensburg vorliegen oder ob man zum Beispiel als Jugendlicher sein Mofa frisiert hat. Wenn alles in Ordnung ist, wird man zugelassen und hat dann ein Jahr Zeit, um zu bestehen.

Auch im praktischen Bereich gibt es mehr Probleme als früher. Ist der Verkehr komplexer geworden?

Schmitz Ja, ein wenig komplexer ist er schon geworden, aber es gibt noch andere Gründe. Die Kinder sitzen heute hinten und daddeln, während sie von ihren Eltern kutschiert werden. Sie lernen nicht mehr, als Beifahrer die Komplexität des Verkehrs zu erkennen. So wie wir früher.

Wo liegt der Rekord an Fahrstunden, die ein Schüler bei Ihnen bis zur Prüfung nehmen musste?

Schmitz Eine Fahrschülerin brauchte fast 100 Stunden, etwa 50 bei einer anderen Fahrschule und 50 bei mir. Sie war schon älter und wollte den Führerschein machen, damit sie ihren Mann, der krank war, zum Arzt und ins Krankenhaus fahren konnte. Es hat auch schließlich geklappt, und sie fährt heute auch noch.

Was kostet ein Führerschein heute im Durchschnitt?

Schmitz In Mönchengladbach brauchen die Fahrschüler durchschnittlich 30 bis 35 Stunden. Eine Fahrstunde kostet zwischen 40 und 50 Euro, dazu kommen die Grundgebühr und eventuell Sonderfahrten. Im Schnitt kommen für den Führerschein 1700 bis 2000 Euro zusammen. In anderen Städten brauchen die Schüler übrigens länger. In Düsseldorf, Köln und Krefeld benötigen sie durchschnittlich etwa zehn Stunden mehr. Das liegt vor allem am Straßenbahnverkehr und den damit verbundenen Schwierigkeiten für Fahranfänger.

Welche Kreuzungen oder Verkehrsführungen in der Stadt Mönchengladbach sind aus Fahrlehrersicht besonders heikel oder gefährlich, so dass Sie sie jedem Fahrschüler zeigen?

Schmitz Mehrspuriges Abbiegen ist für Anfänger immer besonders heikel. Sie geraten schnell auf den falschen Fahrstreifen, wenn sie nicht bemerkt haben, dass es noch eine weitere Abbiegespur gibt. Wir üben immer auch an der Abfahrt Nordpark, die sogar dreispurig ist, die rechte Spur ist aber normalerweise gesperrt und nur während der Borussiaspiele geöffnet. Dort zu fahren muss man üben. Auch am Rheydter Bahnhof haben wir zwei Linksabbiegerspuren. Oder an der Wilhelm-Schiffer-Straße in Rheydt, wo man auch noch am Berg anfahren muss. Diese Stellen müssen die Fahrschüler kennen.

Es gibt in Mönchengladbach viele Tempolimits – mal sind 30 km/h vorgeschrieben, mal 40, mal 50. Was halten Sie davon?

Schmitz Für Fahrschüler ist das toll zum Üben, aber für Fahrlehrer ist es schrecklich. Den ständigen Wechsel halte ich für hirnrissig. Vor Schulen und Kitas ist Tempo 30 vorgeschrieben, das ist in Ordnung. Ansonsten wäre ich dafür, alles andere abzuschaffen und wieder zu Tempo 50 zurückzukehren.

Hand aufs Herz: Gibt es in Mönchengladbach eine Grüne Welle?

Schmitz Nur wenn man schneller fährt als erlaubt ist.

Was halten Sie von der Fahrradstraße zwischen Gladbach und Rheydt?

Schmitz Die Richard-Wagner-Straße / Brucknerallee hatte einen tollen Radweg in der Mitte. Das hätte man so lassen sollen. Die Fahrradstraße funktioniert hier nicht, weil es durch die Hochschule zu viel Verkehr gibt. Für die Fahrschüler ist es übrigens gut, dass es die Fahrradstraße gibt. Sie haben sich mit dem vielen Rechts vor Links auf der Brucknerallee immer sehr schwer getan.

Was lässt sich für ein besseres Miteinander von Autofahrern und Radfahrern tun?

Schmitz Hier sind wir als Fahrschulen gefragt. Wir müssen die Leute sensibilisieren. Es ist wichtig, sich als Verkehrsteilnehmer in einen anderen hineinzuversetzen. Aber viele Menschen vergessen, wie es war, Rad zu fahren, sobald sie den Führerschein haben. Das gilt auch für Autofahrer und Motorradfahrer. An den meisten Motorradunfällen sind Autofahrer schuld, die die Geschwindigkeit der Motorradfahrer unterschätzen. Man muss sich immer vor Augen führen, was andere Verkehrsteilnehmer können und was nicht.

Welche Fahrschüler sind bei Ihnen die besseren? Männer oder Frauen?

Schmitz Männer können ein Fahrzeug schneller handhaben, Frauen fahren sicherer und ruhiger.

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