Mönchengladbach Immer mehr Schäden durch Garzweiler
Mönchengladbach · Das Finkenberger Bruch trocknet aus, der Staub in Wanlo nimmt zu, der Boden sinkt ab – noch bevor die Stadt 110 Hektar verliert, sind die Tagebaufolgen spürbar. Es gibt aber auch gute Nachrichten: RWE will sich am Umbau Wanlos beteiligen.
Alfred Brücher muss alle zwei Tage die Terrasse fegen. "Dann liegt wieder neuer Dreck auf den Fliesen", erzählt er. Die riesigen Braunkohlebagger kommen näher – und mit ihnen die Belastungen für die Mönchengladbacher. Und die fallen schon jetzt an manchen Ecken spürbarer aus als ohnehin befürchtet. Das zeigt der aktuelle Braunkohlebericht der Stadt. Das Finkenberger Bruch etwa, ein Feuchtgebiet zwischen Wanlo und Wickrathberg, in dem sich in der Region zum Teil seltene Vögel und Pflanzen angesiedelt haben, läuft schon jetzt trocken. Das eingeleitete Wasser reicht nicht, um die Vertrocknung der Vegetation zu stoppen. Dagegen kann die Stadt nichts untenehmen. Denn RWE Power ist beim Finkenberger Bruch verpflichtet, das Austrocknen möglichst zu verhindern. "Darüber, was möglich ist, kann man aber unterschiedlicher Auffassung sein", sagt Olaf Holtrup, Fachmann für das Thema Braunkohle bei der Stadt.
132 Millionen Kubikmeter Wasser entnimmt RWE Power Mönchengladbach für den Tagebau – das ist achtmal so viel, wie die Stadt mit allen Einwohnern und aller gewerblichen Produktion pro Jahr braucht. Nur knapp die Hälfte kommt zurück. Schon jetzt hat sich der Boden südlich der A 46 um 20 bis 30 Zentimeter abgesenkt. RWE Power rechnet damit, dass bis 2045, wenn der Tagebau abgeschlossen ist, bis zu 30 weitere Zentimeter dazu kommen. Kann das dazu führen, dass wegen des geänderten Gefälles die Kanäle im Süden der Stadt nicht mehr ihre Funktion erfüllen? RWE Power habe dies in Simulationen überprüft und Entwarnung gegeben, berichtet Holtrup. "Aber das ist nur eine Berechnung. Wir werden es also genau beobachten müssen", sagt Holtrup.
Wie überhaupt bei immer auftretenden Problemen in der Stadt zu überprüfen ist, ob sie mit dem Braunkohletagebau zu tun haben. So wurden bei der Sanierung des Rheydter Theaters zahlreiche Schäden gefunden, für die es keine statische Erklärung gibt. Ob sich das Theater tatsächlich wegen Garzweiler bewegt, sollen Untersuchungsbohrungen und eine aufwändige Gebäudevermarkung zeigen. Deren Ergebnisse sollen kommendes Jahr vorliegen. Zwischen 2010 und 2012 gab es zudem drei Wohnhäuser, an denen Schäden aufgetreten sind, die mit Bergschäden zu tun haben könnten. Um solche Fälle zu klären, gibt es inzwischen eigens eine "Anrufungsstelle Bergschaden Braunkohle NRW".
In zwei bis drei Jahren werden die Bagger auf Mönchengladbacher Stadtgebiet angekommen sein. Denn auch wenn niemand Haus und Hof verliert, wird auch ein Stück Mönchengladbach weggebaggert – und zwar ein richtig großes. Die Stadt wird wegen des Tagebaus um 110 Hektar kleiner; das entspricht etwa der Fläche von Wanlo und Wickrathberg zusammen. Betroffen sind fast ausschließlich landwirtschaftliche Flächen.
Je näher die Bagger an die Stadtgrenze rücken, desto mehr werden die Wanloer von Staub, Lärm und Licht belästigt sein. Viele Wanloer hadern zwar mit ihrem Schicksal, dass hinter ihrer Heimat demnächst gefühlt die Welt aufhört. Als ihren Gegner betrachten sie RWE Power hingegen nicht. "Wir sind Nachbarn und wollen miteinander auskommen", beschreibt Brücher seine Position. Drum hat er, als er bei regionalen Unternehmen Geld für die Renovierung einer Kapelle einsammelte, auch bei RWE nachgefragt – und auch Unterstützung in Form von Sach- und Dienstleistung bekommen. Darum hat man in Wanlo aufmerksam die Nachricht der Stadt verfolgt, RWE Power könne sich vorstellen, Geld für eine Dorfumgestaltung Wanlos beisteuern. An der ist der Dorfgemeinschaft nämlich sehr gelegen, und Geld vom Land wird es dafür nicht geben. Der Marktplatz soll belebt, das leer stehende Schulgebäude wieder genutzt werden. "Gerade weil Wanlo durch den Tagebau weniger attraktiv wird, müssen wir was tun", sagt Brücher. Und dass RWE Power im Sinne des Verursacherprinzips dazu etwas beisteuert, findet Brücher nur angemessen.