Mönchengladbach Im Ruhestand macht "Herr Wessel" Lesetraining

Mönchengladbach · Zwar war seine Karriere bei der Industrie- und Handelskammer 1995 endgültig vorbei, doch an einen "richtigen Ruhestand" wollte Wessel de Weldige-Cremer noch lange nicht denken. "Nachdem ich bei der Industrie- und Handelskammer aufgehört hatte, wurde ich ehrenamtlicher Vorsitzender des Jugendherbergswerks Rheinland", erzählt er.

"Als ich dort anfing, lief das Herbergswerk Gefahr, in finanzielle Schwierigkeiten zu kommen, denn aus organisatorischer Sicht war dort nichts mehr wirklich auf dem neuesten Stand", fügt er hinzu. Seine erste Zeit als Vorsitzender des Jugendherbergswerks verlief gar nicht mal so einfach. Denn der Jurist stieß dort auf Vollblut-Pädagogen. "Da ging es natürlich um Ideale, und ich kann auch nachvollziehen, warum ich damals auf Kritik gestoßen bin", so de Weldige-Cremer. Mittlerweile hat eine Modernisierung stattgefunden, die er initiiert hat. Und mit den Herbergseltern hat er sich letzten Endes doch noch verstanden.

Seine Zeit beim Jugendherbergswerk endete 2001. "Ich wollte mit 70 Jahren einfach nicht mehr Jugendherbergsleiter sein", sagt er und schmunzelt. Trotzdem war er sich sicher, dass er sich weiterhin ehrenamtlich einsetzen wird. Nach sechs Jahren beschloss er wieder etwas zu tun. "Ich hätte mich entweder für alte oder für junge Leute einsetzen können. Da dachte ich mir: Alt bist du selbst – also machst du was für die Jugend." Er wollte Lesetraining geben und fand in der Carl-Sonnenschein-Schule einen guten Partner. Doch anstatt den Kindern selber etwas vorzulesen, dreht er den Spieß um. "Die Kinder lesen mir etwas vor. So merke ich, wie gut sie lesen können, wie es mit der Aussprache aussieht und wie groß der Wortschatz ist. Dann ist der Lerneffekt für sie viel größer", erklärt er.

Für ihn ist der ehrenamtliche Einsatz ein sehr wichtiger Aspekt in seinem Alltag. "Ich bin der Meinung, dass Leute, die große Verantwortung getragen haben, diese nicht einfach ablegen sollten, sondern etwas an die Allgemeinheit abgeben müssen. Und gerade das sollten sie auch wirklich ehrenamtlich tun und sich auch nicht zu schade sein, das an Stellen zu machen, die mit den früheren Tätigkeitsebenen nichts zu tun haben", betont er.

Das Lesetraining macht er nun seit fünf Jahren und konnte inzwischen auch fünf seiner Freunde dazu motivieren. Und für seine wöchentlichen "Unterrichtseinheiten" hat er sich auch schon einige Methoden einfallen lassen. "Ich habe mir irgendwann im Sportgeschäft eine rote und eine gelbe Karte gekauft. Wenn die zum Einsatz kommen, hören die Kinder sofort auf mich. Die finden das super!"

Wie lange er noch diesem Ehrenamt nachgehen wird, weiß er noch nicht. Aber ganz so bald wird er bestimmt nicht aufhören.

(dema)
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