Mönchengladbach Im Museum: Textilien im Spannungsfeld der Kunst

Mönchengladbach · Zwei Monate nach der Eröffnung liegt nun das Heft zur Präsentation "Textiles: Open Letter" vor. Besucher haben nun mehr vom Rundgang.

 Links eine Arbeit aus dunkel gefärbtem Sisal von Magdalena Abakanowicz, rechts ein gewebter Woll-Wandbehang von Sofie Dawo.

Links eine Arbeit aus dunkel gefärbtem Sisal von Magdalena Abakanowicz, rechts ein gewebter Woll-Wandbehang von Sofie Dawo.

Foto: Raupold/Museum Abteiberg

Wer im Juni zur Vernissage der Ausstellung "Textiles: Open Letter" ins Museum Abteiberg ging, konnte einen kleinen Kulturschock erleben: Die Kuratoren Rike Frank und Grant Watson breiteten im Hollein-Haus Beiträge zur Geschichte der Textilkunst in einem derart umfänglichen Ausmaß aus — 44 Urheber sind mit Arbeiten vertreten —, dass ein Überblick reichlich schwer fiel.

Dieser lässt sich nun mit weit weniger Aufwand nachträglich herstellen. Denn wer jetzt die noch bis zum 10. November laufende Ausstellung mit dem Untertitel "Abstraktionen, Textilien, Kunst" besucht, kann sich an der Kasse mit einem kostenlosen "Führer" versorgen: Seit wenigen Tagen liegt sie endlich vor, die Broschüre zur Ausstellung, sozusagen ein Katalog. Das im griffigen DIN-A 5-Format produzierte 64-seitige Heft mit vielen Abbildungen kostet nichts!

Die zweisprachige Broschüre (deutsch-englisch) listet von 1 bis 44 die beteiligten Künstler/innen mit Kurzbiografien und Werkerläuterungen auf. In alphabetischer Reihenfolge. Im Vorwort erläutert Museumsdirektorin Susanne Titz (48), wieso das Museum eine so große, ambitionierte Schau ausrichtet, die Werke der uralten Kulturtechnik (Weben, Flechten) mit Entwicklungsstationen der Kunstgeschichte in Dialog bringt. Titz: "Mönchengladbach ist eine Stadt der Textilindustrie, früher nannte man sie das Manchester des Rheinlands: Sie wurde reich mit den billigen Fasern von Flachs und Baumwolle, mit einem Textilmaschinenbau, der immer effektivere, schnellere und automatisierte Technologien erfand, weltweit exportiert mit dem Effekt der Selbstaufgabe: Tausende Arbeitsplätze gingen an billigere Regionen verloren, ein stillerer Krisenprozess als im Ruhrgebiet, doch ebenso drastisch und plastisch nachspürbar in den vielen Automaten, die in den vergangenen Jahren in das Textilmaschinendepot der städtischen Museen eingegangen sind." Kunst und industrielle Nutzung — in diesem Spannungsfeld steht und besteht textiles Schaffen seit jeher. Davon künden bereits uralte Fetzen von Geweben aus dem frühchristlichen Ägypten. Diese koptischen Stoffe aus dem Museumsbestand sind im Grafischen Kabinett (Untergeschoss) zu sehen.

Die beiden Kuratoren, Rike Frank und Grant Watson, fassen in ihrer Einführung die zentrale Fragestellung von "Textiles: Open Letter" zusammen, deren Titel auf eine Arbeit der Bauhaus-Künstlerin Anni Albers aus dem Jahr 1958 zurückgeht: "Zu Gast im Museum Abteiberg stehen die ausgewählten Werke nicht nur im Dialog zueinander, sondern auch in Beziehung zur spezifischen Architektur des Museum, dessen Sammlungsgeschichte und der langen Textiltradition der Stadt Mönchengladbach." Die nüchterne Sprache des Bauhauses geht dem Konzept des Abteiberg-Architekten Hans Hollein wesensverwandt voraus.

Wer den kleinen Katalog in Händen hält, hat mehr vom Besuch der Ausstellung. Dass er nun erst fertig geworden ist, hängt damit zusammen, dass die Kunstwerke erst installiert werden mussten, bevor sie fotografiert und nun in der Broschüre abgebildet werden konnten.

(RP)
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