Mönchengladbach "Ich will mein Publikum unterhalten"

Mönchengladbach · Die Autorin Marie Reiners hat die Fernsehserien "Mord mit Aussicht" und "Morden im Norden" erfunden. Jetzt hat sie ihren ersten Kriminalroman geschrieben. Darin geht es um die Tierpräparatorin Bärbel.

 Aufgewachsen ist Marie Reiners an der Brucknerallee in Rheydt. Beim Spaziergang durch die alte Heimatstadt zeigt sie sich verwundert über die vielen Veränderungen.

Aufgewachsen ist Marie Reiners an der Brucknerallee in Rheydt. Beim Spaziergang durch die alte Heimatstadt zeigt sie sich verwundert über die vielen Veränderungen.

Foto: Detlef Ilgner

Das schönste Haus ihres Lebens. Es steht an der Brucknerallee. Ein Patrizierhaus. Die Räume voll gepackt mit Erinnerungen an ihre Kindheit und Jugend. Und an ihre Eltern, die sie sehr liebt. Und die sie sehr geliebt haben. Und doch hat Marie Reiners das Haus verkauft. Schweren Herzens: "Ich habe lange überlegt, ob ich nicht nach Rheydt zurückkehren soll." Die Drehbuchautorin lebt schon lange in Köln und in der Eifel. Sie hat "Mord mit Aussicht" und "Morden im Norden" erfunden, schreibt aber auch Drehbücher zu "Um Himmels Willen".

Marie Reiners findet Rheydt schön, meint aber auch beim Weg über den Marktplatz: "Mein Gott, ist das anders." Das klingt nicht so sehr erschrocken, vielmehr wie eine Bestandsaufnahme. Gefolgt von Wehmut. Sie bedauert, dass "der Charme des Kleinen weg ist. Dass man, das gilt auch für Gladbach, versucht, eine Großstadt zu basteln". Und zwar mit viel zu viel Beton. Und mit einer Verkehrsführung, die sie stets aufs Neue irritiert: "Diese Ringe. Man weiß nie, wo man abbiegen muss." Gleichwohl registriert sie auch die zart sprießenden Versuche, gegenzusteuern.

Die Rheydterin ist bekennende Niederrheinerin, das stecke ihr im Blut. Sie mag die Landschaft und die Menschen: "Wir sind früher viel an der Niers unterwegs gewesen. Lange Sommer an der Beller Mühle." Sie erinnert sich daran, dass die kommunale Neugliederung auf wenig Gegenliebe bei den Rheydtern gestoßen ist: "Meine Mutter hat mich in den 1970ern Jahren zu einer Demo mitgenommen. Als Ur-Rheydterin hat sie die Pläne regelrecht als Verbrechen empfunden." Eine feste Clique seien sie damals gewesen, erzählt Marie Reiners. Radfahren, Bowling, auch Schlittschuhlaufen. Und die Zeit in den einschlägigen Szenekneipen wie das "La Michelle" an der Hauptstraße oder das "Le Cochon" in ihrer Nachbarschaft. "Ich habe praktisch im Cochon gewohnt", lacht sie. Mit in der Clique Gerlis Zillgens, heute Kinder- und Jugendbuchautorin: "Ihre Eltern hatten eine Bäckerei. Ich war ein paarmal mit zum Brötchen ausfahren. Da lernt man die Stadt aus noch ganz anderer Perspektive kennen." Im Klappentext ihres ersten Romans "Frauen, die Bärbel heißen" (Scherz, 2018) reklamiert Marie Reiners für sich als Rheydterin "per se intime Kennerin von Tristesse und Tragikomik" zu sein. Das habe tatsächlich mit ihrer Kindheit zu tun, die geprägt war von den Erlebnissen der Eltern während des Krieges: "Beide hatten extreme Verlustängste. Ich durfte nicht raus zum Spielen, es kamen auch keine Kinder zu mir nach Hause, ich war nicht im Kindergarten. War extrem behütet. Als ein Ausflug der Klasse nach Brighton anstand, durfte ich nicht mit." In dieser bürgerlichen Enge hat sie sich nie zuhause gefühlt. Ihre Flucht war der Rückzug in die Welt der Bücher: "Mein Vater war ein Bücherfreak. Wir hatten die absurdesten Bücher im Regal." Sie hat viel gelesen, besonders auch Krimis.

Schon früh ist Marie Reiners weg aus Rheydt. 1990 dann der Start ihrer Karriere. Mit Hella Kemper saß sie im Heinrich-Heine-Seminar der Uni Köln. Und als die als Hella von Sinnen durchstartete, "hat sie mich gefragt, ob ich nicht als Autorin arbeiten wollte." Dann ging´s los mit "Alles Nichts Oder, Geld oder Liebe und 1000 Sketchen", beschreibt sie die Anfänge. Hauptsächlich ihren Eltern zuliebe hat sie "zwischen drei Shows" noch ihren Uni-Abschluss gemacht.

Marie Reiners ist eine Frau, die vor innerer Kraft zu strotzen scheint. Dabei offen und dem Gegenüber zugewandt. Ganz anders als ihre Protagonistin Bärbel in ihrem Roman. "Sie ist eine Versehrte. Asexuell. Aber fasziniert von ,Bambi', der Frau, der sie begegnet. Weil sie zum ersten Mal in ihrem Leben so etwas wie Nähe und Empathie erfährt. Das kann sie nicht fassen." Obwohl es in dem Buch um Tote geht, "ist der Roman kein Krimi im klassischen Sinn. Eher ein Psychogramm." Und das mit viel Lust und Freude am Draufloserzählen: "Ich wusste beim Schreiben nicht, wohin es geht. Da ging es mir wie Bärbel", schmunzelt sie, "zu Beginn hatte ich das Ende nicht im Kopf. Mir war nur wichtig, eng bei den Figuren zu bleiben."

Mit Unterbrechung und der Arbeit an "sechs oder sieben Drehbüchern", hat das Schreiben des Buches gedauert. Begleitet von gehörigem Respekt: "Das ist ein völlig anders Handwerk als ein Drehbuch zu schreiben." Rund ein Dutzend Lesungen hat Marie Reiners bisher absolviert. Eine völlig neue Erfahrung, denn Drehbuchautoren stehen in aller Regel nicht in der Öffentlichkeit - die sie als Mensch auch nicht unbedingt sucht. Sie ist jedes Mal danach völlig erschöpft. Allerdings freut sie sich sehr über die Reaktionen während und nach ihren Auftritten: "Das Publikum ist bezaubernd." Es wird eine Fortsetzung des Romans um die Tierpräparatorin Bärbel geben: "Aber damit lasse ich mir Zeit."

Marie Reiners hat lediglich einen Anspruch an ihre Arbeit. Er klingt simpel, ist aber dennoch eine große Aufgabe: "Ich will unterhalten."

(akue)
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