Mönchengladbach „Ich hatte früher Ausraster“

Mönchengladbach · Es gibt immer mehr Kinder, die an einer Regelschule nicht zurecht kommen, weil sie erziehungsschwierig sind. An der Förderschule am Torfbend sollen die Schüler nicht nur Formeln lernen, sondern auch soziales Verhalten.

Tim* (14) besucht seit anderthalb Jahren die Förderschule am Torfbend. „Ich hatte früher Ausraster“, sagt er. „Seitdem ich hier bin, ist es besser geworden.“ Die Förderschule am Torfbend kümmert sich um erziehungsschwierige Kinder und Jugendliche, solche die emotionale und soziale Defizite haben, wie es in der Fachsprache heißt. E-Schüler werden sie genannt. An der Regelschule sind die Lehrer nicht mehr mit ihnen zurecht gekommen, weil sie permanent den Unterricht störten, weil sie sich von der Außenwelt abschirmten oder weil sie gar nicht mehr zur Schule kamen.

Das Problem ist männlich. Von den 160 Schülern an der städtischen Schule für Erziehungshilfe sind 145 Jungen. Am Torfbend werden sie intensiv betreut. „Wir schreiben für jeden Schüler einen individuellen Förder- und Lehrplan. Denn zu uns kommen sowohl Schüler, die nur wenige Wörter können, als auch solche, die fließend komplizierte Texte schreiben“, sagt Schulleiter Walter Gans.

Unterricht an der Förderschule am Torfbend ist ganz anders als in der Regelschule. Wer in welche Klasse kommt, wird dort nicht unbedingt nach Geburtsjahrgang entschieden. Auf die Neigung kommt es an. Denn bei den Kindern und Jugendlichen muss erst einmal wieder die Lust auf Lernen geweckt werden. Ziel ist es, dass die Schüler nach einer gewissen Zeit wieder zur Regelschule gehen, oder dass sie an der Förderschule am Torfbend ihren Hauptschulabschluss ablegen. Das klappt immerhin bei rund der Hälfte, sagt Walter Gans. Ein weiteres Viertel der Schüler nimmt nach der Schulzeit an Lehrgängen des Jugendförderungs- oder des Berufsbildungswerkes teil.

1979 hat die Schule am Torfbend ihre Arbeit aufgenommen. Damals gab es zwei Lehrer und zwölf Schüler. Heute hat die Schule eine Zweigstelle am Karl-Barthold-Weg, 25 Lehrer und 160 Schüler. Tendenz steigend. Der Schulleiter: „Es gibt nicht wenige Eltern, die auf einen Platz für ihre Kinder bei uns warten.“

Tim spürt, dass er an der Schule am Torfbend besser zurecht kommt. Aber gerne erzählt er nicht, dass er an einer Schule für Erziehungshilfe ist. Das Stigma gibt es heute noch, bestätigt Walter Gans. Nicht nur aus diesem Grund würde er den Ausbau von Kompetenzzentren begrüßen, in denen alle Schulformen zusammengeschlossen sind. „Wir könnten zum Beispiel Pläne für Lehrer schreiben, damit die Kinder an ihren Regelschulen bleiben können“, sagt Gans. In der Praxis wurde das schon getestet. Ein verhaltensauffälliger Junge durfte, wenn er in sich im täglichen Unterricht in seiner Regelschule benommen hatte, nachmittags an der Förderschule in die Technik-AG, hatte er einen Ausraster, kam er in die intensive Betreuung. Gans: „Der Junge war einfach in einer Lebenskrise. Heute ist er der beste Schüler seiner Klasse.“ Aber ein Kompetenzzentrum habe noch mehr Vorteile. Gans: „Wir könnten auch auf andere Professionen wie Sozialarbeiter, Ergotherapeuten oder Anti-Gewalttrainer zurückgreifen, die uns heute an der Schule fehlen.“ (*Name geändert)

(RP)
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