Mönchengladbach Hotte Jungbluth mit 77 – glücklich und neugierig

Mönchengladbach · Er ist ein Markenzeichen der Mönchengladbacher Unterhaltungsszene. Seit vier Jahrzehnten fasziniert der „Hobby-Kleinkünstler“ mit seiner unglaublichen Vielseitigkeit. Ein Leben als „Äntertainer“ mit fast schon unheimlich vielen Facetten.

 Hotte Jungbluth spielt 2015 zum 20-jährigen Jubiläum des Kleinkunsttheaters „Die Spindel“.

Hotte Jungbluth spielt 2015 zum 20-jährigen Jubiläum des Kleinkunsttheaters „Die Spindel“.

Foto: Ilgner Detlef (ilg)/Ilgner,Detlef (ilg)

Horst Jungbluth selbst hat ganz schnell eine knappe Antwort parat: „Ich bin ein glücklicher Mensch, immer neugierig, einer, der immer Neues ausprobiert“, sagt der 78-Jährige auf die Bitte, sich zu beschreiben. Doch „Hotte“ und all seine Aktivitäten lassen sich gar nicht in eine Schublade stecken.

Hotte Jungbluth: Das ist in der Mönchengladbacher Unterhaltungsszene ein Markenzeichen – ein Kleinkünstler mit sehr, sehr vielen Facetten: Liedermacher, Kabarettist, Musiker (Jazz ebenso wie Tango), Geschichten-Erzähler und -Schreiber, Heimatbuch- und Mundart-Autor in Wort und Gesang, Zeichner und Maler, Möbelrestautor, Antiquitäten-Sammler und -Händler. Mit all dem hat er sich einen Namen gemacht – in seiner Heimatstadt Mönchengladbach und darüber hinaus.

Gewachsen ist dieses vor allem in den letzten vier Jahrzehnten, seit 1978, als er seine erste Single-Aufnahme herausbrachte. Und all dies immer neben einem Beruf, der ihn gefordert und ausgefüllt hat: gelernter Werbegestalter. Mit 18 hat er am Rheydter Marienplatz im Modehaus Graefer Schaufenster gestaltet, die auf einmal viele Kunden ins Geschäft lockten. „Ich hatte gerade erst zwei Jahre die Lehre hinter mir, als ich dort anfing. Und Graefer machte gleich ein Umsatzplus von 19 Prozent. Von da an hatte ich als Chefdekorateur freie Hand“, erzählt er.

 Die erste CD: Hotte & Bernt 1978. "Em O'kerke em Tierpark" hieß sie, die Rückseite "Längs d'r Jlabbach".

Die erste CD: Hotte & Bernt 1978. "Em O'kerke em Tierpark" hieß sie, die Rückseite "Längs d'r Jlabbach".

Foto: JH

Bis zu seinem Eintritt in den „Ruhestand“ im vergangenen Jahr blieb Horst Jungbluth seinem Beruf treu, war aber als selbstständiger Werbegestalter und -Texter nicht nur bei Mönchengladbacher Unternehmen gefragt: für dekorative Schaufenster ebenso wie für Messestände im In- und Ausland, als Ladenbauer oder auch für Keller-Bars. Ein Mann mit immer wieder neuen Ideen. Im Beruf ebenso wie als Unterhalter oder Entertainer, der bei Rheydter Stadtfesten in der Fußgängerzone ein Sechs-Stunden-Programm alleine bestreiten konnte.

Gespräche mit Hotte Jungbluth werden gerne lang, aber nicht langweilig. Er versteht es, Zuhörer zu fesseln, ob ein ganzes Publikum oder im Zwiegespräch, mit Liedern und mit Worten: Er ist der geborene Unterhalter. Dabei waren die Namen seiner zwei Musikbands Programm: die Jux-Band „De Äntertäner“ und die Swing-Band „Die Äntertäner“.

 Radwandern mit „ZWAR“: Hotte Jungbluth und und seine Lebensgefährtin Carmen Herbeck (von rechts) bei einer Pause.

Radwandern mit „ZWAR“: Hotte Jungbluth und und seine Lebensgefährtin Carmen Herbeck (von rechts) bei einer Pause.

Foto: Jungbluth

Wobei er nie Unterricht an seinen Instrumenten gehabt, sondern sich fast alles selbst beigebracht hat. „Meine Mutter hat einfach gesagt, wir Kinder wären zu unmusikalisch. Ich bräuchte keinen Musikunterricht“, erzählt er. „Vielleicht auch, weil wir wenig Geld hatten, da unser Haus im Westend ausgebombt worden war, und nach dem Krieg die Kaffee-Großrösterei mit Kolonialawaren-Großhandlung meiner Eltern in schwieriger Zeit nicht überlebte. Darum konnte ich auch nicht auf die Höhere Schule gehen. Was mich aber nicht störte. Denn die Lehre als Kaufmannsgehilfe und Schaufenstergestalter im Textilhaus Heinemann und der Besuch der Abendschule mit Zeichnen, Schrift und Ölmalerei waren mir Anreiz genug.“

Dann aber kamen die Abende bei den Holter Pfadfindern. „Es wurde am Lagerfeuer gesungen und Gitarre gespielt. Das fand ich toll und wollte es auch können.“ Horst, inzwischen für ein Jahr beruflich in Krefeld gelandet, hatte dort einen Vorgesetzten, der Gitarre spielte und ihm die ersten Griffe zeigte. 1957 kaufte er sich seine erste Gitarre: „Gebraucht, für 27 Mark.“ Bei seiner nächsten beruflichen Station in Coburg kamen bei musizierenden Studenten die nächsten Schritte und sein erstes Banjo. Der Musik-Bazillus hatte ihn voll erwischt. Doch er ließ auch Raum für weitere Interessen in einem Leben, das mit dem geliebten Beruf allein schon hätte ausgefüllt sein dürfen.

 Motorradfahren ist ein großes Hobby. Hier sitzt er auf seiner Honda CX500C „Güllepumpe“.

Motorradfahren ist ein großes Hobby. Hier sitzt er auf seiner Honda CX500C „Güllepumpe“.

Foto: JH

Der Liedermacher spielt gerne mit Worten – und mit Rhythmus und Melodie. „Obwohl ich keine Noten lesen kann“, gesteht er. „Aber ich will auch keine einzige Note lernen – meine Musik kommt aus meinen Empfindungen heraus. Egal ob das ein Walzer oder ein Tango ist.“ Er spielt Gitarre, Balalaika, Waldzither, Laute, Tenorbanjo oder Ukulele: „Wie der Klang am Ende wird – alles pures Gefühl.“

Seine Lieder sind nicht immer lustig, sondern auch schon mal sehr ernst. Wie „Schwarze Kinderaugen“, zu denen er 2015 durch die Bilder des zweijährigen syrischen Flüchtlingsjungen Aylan Kurdi angeregt wurde, dessen Leichnam an der türkischen Mittelmeerküste angeschwemmt wurde und weltweit Aufsehen erregten. „Dieses Lied ging den Leuten unter die Haut. Wenn ich etwas sehe oder lese, was mich berührt, dann schreibe ich mir mein Gefühl von der Seele“, sagt Hotte. So entstanden viele seiner Lieder und Texte, mal ernste, meist aber lustige. Und wenn dann ein Lied wie „Hammer Wasser“, das er für die NEW´ und das Eine-Welt-Forum Mönchengladbach schrieb, 6.500 Euro einbringt, mit denen zwei Brunnen in der afrikanischen Stadt Offinso gebaut werden können, dann ist er schon stolz.

Dass seine „Karriere“ diesen Verlauf nehmen könnte, daran hat Horst Jungbluth nicht im Traum gedacht, als er 1978 nach drei Jahren als Banjo-Spieler und Sänger im HPT-Jazzverein Mönchengladbach-Rheydt seine erste Platte aufnahm. „Em O’Kerke em Tierpark“ hieß sie. Sein Partner war Bernd Heuer, sie nannten sich „Hotte & Bernt“ und waren auf Anhieb erfolgreich. „Leider ist Bernd schon 2007 gestorben“, sagt Jungbluth.

Die Idee der beiden aber lebt weiter. Hotte erfand sich neu und ist auch mit 78 noch das, was er 1978 war: ein glücklicher Mensch, immer neugierig.

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