Mönchengladbach Hollein, Beuys und das Nichts, das ein Etwas ist

Mönchengladbach · Wie macht man eine Ausstellung über eine Linie, die Podest für eine unsichtbare Skulptur ist? Die Antwort auf diese Frage liefert der Projektraum EA 71. Dort ist die Jahresgabe Hans Holleins von 2007 noch bis zum 24. August zu sehen.

 Hans Hollein (li.) und Joseph Beuys bei der Eröffnung des Museums Abteiberg.

Hans Hollein (li.) und Joseph Beuys bei der Eröffnung des Museums Abteiberg.

Foto: Udo Dewies

"Wie Sie sehen, sehen Sie nichts." Dieses bekannte Zitat, das wahlweise Loriot, Heinz Erhardt oder, der Suchmaschine Google zufolge, gar einem Historiker und Geografen aus dem 18. Jahrhundert namens Galletti zugeschrieben wird, dieses Zitat hätte jetzt bei der Eröffnung der Ausstellung des Museumsvereins gut gepasst. Gezeigt wurde: nichts. Besser gesagt: fast nichts. Titel der Ausstellung: "Podest für die unsichtbare Plastik von Joseph Beuys". Aber aus diesem "Nichts" ist Etwas geworden. Nämlich im Jahr 2007 eine Jahresgabe des Wiener Architekten Hans Hollein.

Die zweiteilige Zeichnung ist noch nicht vergriffen, und so hatte der Geschäftsführer des Museumsvereins, Dr. Christian Krausch, die Idee, dieser Jahresgabe eine Ausstellung zu widmen. Bis zum 24. August dauert die Ausstellung, mit der der Museumsverein zu Gast im städtischen Projektraum EA 71 (Eickener Straße 71) ist. Sie ist durchgängig durch die Fenster des Ausstellungsraumes zu betrachten.

Die Geschichte, die zu der ausgestellten Jahresgabe führte, ist alles andere als ein "Nichts": In den 1960er Jahren war Joseph Beuys zum Mittagessen zu Gast bei Hans Hollein. Als Gastgeschenk brachte er, so hat Hollein es erzählt, eine unsichtbare Skulptur mit. Was lag da näher für einen Architekten wie Hollein, dessen Motto "Alles ist Architektur" war, als ein "Podest für die unsichtbare Plastik von Joseph Beuys" zu entwerfen?

Dieses Podest besteht aus einer horizontalen Linie. Christian Krausch: "Der Strich ähnelt einem Horizont, der in seiner Mischung aus Wahrnehmbarkeit und Vision letztlich nur als Idee bestehen kann." Und genau um diese Idee geht es. Die Idee von Kunst, die sich immer im Kopf des Betrachters zum Bild vervollständigen muss. Und es geht um den Humor zweier Künstlerfreunde.

Auf dem zweiten Blatt der Jahresgabe Hans Holleins aus dem Jahr 2007 - seine dritte nach 1973 und 1984 - ist die Geschichte erklärt. Das Blatt mit der Linie als Podest ist signiert und nummeriert und kann über den Museumsverein erworben werden.

Wie macht man also eine Ausstellung über eine Linie, die Podest für eine unsichtbare Skulptur ist? Man zeigt die zweiteilige Jahresgabe. Man zeigt ein großes Banner mit dem Foto von Hans Hollein und Joseph Beuys, gesponsert durch das Architekturbüro Hillekamp & Weber. Und: Man spart eine Leerstelle auf dem Boden aus, die markiert ist durch eine museumstypische Absperrung, wie sie normalerweise Schutz der Kunst ist. Die Leere lässt Platz für das Denken und die Vorstellung.

Die Aktivitäten des 112 Jahre jungen Museumsvereins sind übrigens seit Neuestem auch auf der Plattform Facebook zu verfolgen: www.facebook.com/Museumsverein.Moenchengladbach.

(sbr)
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