Mönchengladbach Hingucker: Studenten kleiden Senioren ein

Mönchengladbach · Studenten der Hochschule Niederrhein entwarfen im Auftrag der Polizei eine ganz spezielle Kollektion für Senioren: Modisch und auffällig sollten die Teile sein, damit ihre Träger bei Dunkelheit im Straßenverkehr nicht übersehen werden.

 Mäntel, Jacken und reflektierende Muffs für Rollatoren – im Seniorenzentrum Lindenhof wurde gestern Mode für ältere Menschen vorgeführt, die auffallend modisch ist und deshalb mehr Sicherheit im Straßenverkehr bietet.

Mäntel, Jacken und reflektierende Muffs für Rollatoren – im Seniorenzentrum Lindenhof wurde gestern Mode für ältere Menschen vorgeführt, die auffallend modisch ist und deshalb mehr Sicherheit im Straßenverkehr bietet.

Foto: Ilgner Detlef (ilg)

Langsam und lächelnd tippelte Gerda Thiel gestern Mittag über den Laufsteg im Speiseraum des Curanum Seniorenzentrums Lindenhof. "Das ist unser Prunkstück", ließ Moderator Kai Nöcker die Zuschauer wissen — und meinte nicht etwa das 84 Jahre alte Model, sondern den dunkelgrauen Wollmantel, den Gerda Thiel präsentierte. Das Prunkstück mit reflektierenden Elementen ist einer von zehn Prototypen, die Bewohner des Seniorenzentrums auf dem Catwalk zeigten. Entwickelt von Studenten des Fachbereichs Textil- und Bekleidungstechnik der Hochschule Niederrhein, im Auftrag der Polizei Mönchengladbach.

 Gemeinschaftsbild mit Models und Designerinnen.

Gemeinschaftsbild mit Models und Designerinnen.

Foto: Ilgner Detlef (ilg)

Die zehn Fünftsemester sollten tragbare Mode für Senioren entwerfen, die im Dunkeln ein Hingucker ist und ihnen so mehr Sicherheit im Straßenverkehr bietet. Denn allein 2012 wurden in Mönchengladbach 1553 Senioren bei Verkehrsunfällen verletzt — einige davon, weil Autofahrer sie schlichtweg übersehen haben. "Im Herbst und Winter tragen Senioren immer gerne dunkle Kleidung. Die ist schick, man sieht den Dreck nicht — aber sie reflektiert nicht", sagte Verkehrssicherheitsberater Erwin Hanschmann, der die Kollektion für die Polizei in Auftrag gegeben hatte.

"Wir würden unsere Senioren gerne auffälliger gekleidet sehen", ergänzte er und holte ein paar Models auf den Laufsteg, die zeigten, was es derzeit auf dem Markt gibt: Leuchtwesten in Gelb und Orange, neongelbe Regenschirme und Kappen — also ganz schön grelles Gewebe. "Das wird aber nicht getragen", sagte Hansch-mann. Gerda Thiel bestätigt das: "Das würde ich nicht so gerne anziehen", gab sie nach der Modenschau zu. Aber von dem grauen Mantel, den die Studenten angefertigt haben, ist sie begeistert. "Er ist sehr schön, angenehm leicht und warm. Und die reflektierenden Aufsätze geben ein Gefühl der Sicherheit", lobte die 84-Jährige.

Der Unterkragen, die Knöpfe und die beiden aufgesetzten Taschen sind mit hellgrauem reflektierendem Material beklebt. An den Ärmeln sind reflektierende Laschen mit Magnetverschluss angebracht, auch die Schulterpaspeln schimmern fast weiß, wenn in dunkler Umgebung Licht darauf fällt. Neben dem Mantel haben die zehn Studenten reflektierende "Rollatormuffs" entworfen, die über die Griffe der Rollatoren gestülpt werden und mit wärmendem Fleece gefüttert sind — so bleiben die Hände warm. Auch Mützen mit Reflektorstreifen, Regenschirme, ein Jutebeutel und ein selbstgewebter schwarzer Schal mit Reflektorgarn gehören zur Kollektion.

Von Mitte September bis Mitte Dezember des vergangenen Jahres haben die Fünftsemester betreut von Professorin Kerstin Zöll an den Modellen gearbeitet. "Das war für uns eine große Herausforderung", erzählte Justine Fritsche, die gemeinsam mit Kai Nöcker die Schau moderierte. Zuerst mussten die Studenten herausfinden, welche speziellen Bedürfnisse die Senioren haben und welche Anforderungen sie an ihre Kleidung stellen. "Drei von uns haben einen Rollator-Treff in Hard besucht und die Senioren dort befragt", sagte Justine Fritsche. Dort lernten sie: Neon, auffällige Regenhauben und Blinklichter sind nicht gefragt. Also konzentrierte sich die Projektgruppe der Hochschule auf gedeckte Farben, die reflektierenden Elemente an den Kleidungsstücken und Accessoires sind allesamt hell- oder dunkelgrau. "Wir sind mit der Kollektion sehr zufrieden", sagte Kai Nöcker, "das war ein schönes Erlebnis, wir haben uns in die Arbeit richtig reingekniet".

Die Modenschau gestern setzte für seine Kommilitonen und ihn den Schlusspunkt unter das Projekt. Für die Polizei hingegen ist es noch lange nicht beendet. "Unser Ziel ist es, die Mobilität älterer Menschen möglichst lange zu erhalten. Sie sollen sich nicht aus Unsicherheit aus dem Straßenverkehr zurückziehen", sagte Polizeioberrat Jörg Malejka. Deshalb geht sein Kollege Erwin Hanschmann jetzt auf Tour: "Ich nehme die Kollektion mit und stelle sie in den 40 Senioren-Clubs vor, die ich betreue", kündigte der Verkehrssicherheitsberater an. Auch an Infoständen auf Stadtfesten will er die Stücke präsentieren, "um die Leute zu sensibilisieren und zu zeigen, was alles möglich ist." Er ist zuversichtlich, dass dann irgendwann Hersteller die Ideen aufgreifen und schicke, auffällige Kleidung für Senioren produzieren. Bei der Modenschau waren auch Vertreter verschiedener Kaufhäuser, ihre Resonanz sei sehr positiv, erzählte Hanschmann.

Vielleicht hält also Kai Nöcker demnächst abends in seinem Auto an einem Zebrastreifen an und lässt eine Seniorin passieren, die einen grauen Wollmantel mit reflektierenden Details trägt.

(naf)
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