Mönchengladbach Hermann Piecq, der ewige Oberbürgermeister

Mönchengladbach · Er hat sich nicht bloß ein Denkmal gesetzt. Kein anderer Bürgermeister hat seine Spuren so sehr in der Stadt hinterlassen wie Hermann Piecq, der Mönchengladbach von 1900 bis 1920 regierte. Keiner hat das Profil, das Bild der Stadt derart geschärft.

 Hermann Piecq regierte Mönchengladbach von 1900 bis 1920. Wie kein anderer hat er die Stadt geprägt.

Hermann Piecq regierte Mönchengladbach von 1900 bis 1920. Wie kein anderer hat er die Stadt geprägt.

Foto: Stadtarchiv

Wasserturm, Kaiser-Friedrich-Halle, neue Eisenbahnführung, elektrische Straßenbahn und vieles mehr ist allein in Piecqs ersten Amtsjahren entstanden. Er, der Kölner Verwaltungsfachmann, brauchte nur drei Jahre, bis die preußische Regierung ihm den Titel Oberbürgermeister verlieh. Die Grundrisse Mönchengladbachs, wie wir es heute kennen, stammen alle aus seiner Amtszeit. Doch er hatte es zu Beginn nicht allzu leicht.

In den Sitzungen der Stadtverordnetenversammlung wurde herzhaft gestritten. Piecq behielt nicht immer seine diplomatische Linie bei, wie aus den Sitzungsprotokollen hervorgeht. Sein Lieblingsargument, falls es nicht vorwärts ging: "Das haben wir in Köln immer so gemacht." Basta. Andere berichten von den Sitzungen so: "Er verleiht seiner Weltanschauung mit der ganzen Wucht seiner Persönlichkeit, seiner impulsiven Art, Nachdruck." Dabei verstand sich Piecq stets als parteineutral und unpolitisch.

Und dennoch war er ein Macher, der vor allem die Bürger einzubinden wusste. Selten wurde so viel gespendet in der Stadt, wie zu Piecqs Zeit. Prestigeobjekte und Infrastruktur wurden ausgebaut: Gasanstalt, Elektrizitätswerk, Berufsfeuerwehr, Kanalnetz, städtisches Orchester. Zudem wurde die Verwaltung immer professioneller. Es entstanden neue Beigeordneten-Stellen, Mönchengladbach hatte 1910 1500 Mitarbeiter, und während in Städten ringsum die Schreiben noch per Hand vervielfältigt wurden, schaffte Piecq Schreibmaschinen an.

Dennoch hinterließ er der Stadt nicht einen unüberwindbaren Schuldenberg. Seine Finanzpolitik war eher konservativ, den Neubau von Schulen etwa ließ er aus dem normalen Haushalt bestreiten. Nicht durch Kredite. Das kam nicht gut an bei den Verordneten.

Zwei Begebenheiten beschreiben die Persönlichkeit des Hermann Piecq und seine mitunter trickreiche Regierungspraxis: Die Zeit der Automobile brach an, und ein Oberbürgermeister brauchte ein solches. Doch Piecq hätte sich nie einen Wagen gekauft. Das überließ er anderen. Und zeigte in dieser "Dienstwagen-Affäre", wie geschickt er war.

Er beteiligte die damals selbstständige Gemeinde Neuwerk an den Kosten. Mit der Begründung, er müsse ja das neu gebaute Wasserwerk in Helenabrunn, das Neuwerk versorgte, "selbst kontrollieren". Neuwerk stimmte zu, Piecq bekam seinen Dienstwagen. Ob der jemals vor dem Wasserwerk parkte, ist ungeklärt.Wie rigoros sich Piecq durchzusetzen mochte, zeigt die Debatte um den historischen Stadtkern 1913. Piecq wollte vor dem Rathaus unbedingt Mauern und Zinnen, was Anfang des 20. Jahrhunderts architektonisch etwa so zeitgemäß war wie ein römischer Tempel.

Und die historische Figur des Balderich wollte er entsprechend gewürdigt wissen. Weil ihm das Gesamtmodell, das in der Ratssitzung vorlag, nicht gefiel, soll er es heruntergeschmissen haben. Gebaut wurde nach seinen Vorstellungen; so, wie es heute aussieht.

Kamen die Stadtverordneten anfangs mit Piecq nicht klar, machte er sich schnell unverzichtbar. 1912 wurde er einstimmig wiedergewählt, und zwar auf Lebenszeit. Er wurde der ewige Oberbürgermeister, vielleicht auch, weil er als Vorsitzender der Kriegskommission die große Not unter Gladbacher Familien während des Ersten Weltkriegs "bis zur physischen Erschöpfung" bekämpfte.

Die Arbeit zehrte an Piecq. 1916 erst ließ er sich vom Regierungspräsidenten den ersten Urlaub seiner Amtszeit genehmigen. Man wollte ihn selbst dann nicht gehen lassen, als er 1919 erschöpft und geschwächt durch den Kriegstod seines Sohnes um den Ruhestand bat. Ein Jahr später war Piecq tot, durch Überarbeitung geschwächt.

(RP)
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