Serie: "Was macht eigentlich...?" Hermann Jansen: "Unser Hermann" wird 80

Mönchengladbach · Er strebte nie nach Macht und wurde trotzdem einer der einflussreichsten Nachkriegspolitiker der Stadt. Der beliebteste ist er allemal. Heute wird Hermann Jansen 80 – und kann nicht aufhören, sich um Menschen zu kümmern.

Er strebte nie nach Macht und wurde trotzdem einer der einflussreichsten Nachkriegspolitiker der Stadt. Der beliebteste ist er allemal. Heute wird Hermann Jansen 80 — und kann nicht aufhören, sich um Menschen zu kümmern.

Was für eine politische Lebensleistung! Er wurde als Roter in einem der bis dahin schwärzesten Wahlkreise des Landes mit absoluter Mehrheit in den Landtag gewählt. Von dort aus floss danach so viel Landesgeld aus den unterschiedlichsten Ministerien nach Mönchengladbach wie sonst nur ins Ruhrgebiet.

Und auch im Rat verhalf er seinen Sozialdemokraten in einer großen Koalition zu Macht in der konservativen Stadt. Wie muss man sich so einen Mann vorstellen? Ein Polit-Genie? Ein Stratege? Ein Zampano? Hermann Jansen ist gelernter Maler und Anstreicher. Ein kleiner, immer freundlicher Mann.

Zu seinen politischen Mandaten musste er überredet werden. Taktieren ist ihm ein Gräuel. Eigentlich hat ihn zeit seines Lebens nur eines interessiert: die Menschen. Zu denen hat er immer mühelos Zugang gefunden — egal, ob sie nun Schlosser sind oder Ministerpräsident. Wer mit Hermann Jansen nicht warm wird, ist selbst schuld.

Manche Menschen mit dieser Gabe werden Krankenpfleger oder Chefarzt, manche Pfarrer. Hermann Jansen wurde Politiker. Über Umwege. Genauer gesagt über den damals klassisch sozialdemokratischen Umweg: die Gewerkschaft. Jansen war IG-Metaller, setzte sich für jeden Einzelnen im Betrieb ein.

Wie oft er wohl in seinem Leben diesen Satz gehört hat: "Hermann, kannst du mal helfen?" Konnte er meistens. Erst ging es um Arbeitsbedingungen, später um Arbeitsplätze. Im Rat dann um Kindergärten, Straßen, auch schon mal um einen Kanal, der ein paar Meter anders gelegt wurde, damit noch zwei Häuser mehr mit günstiger Wohnfläche für Familien gebaut werden konnten. Später dann, im Landtag, um ganze Krankenhäuser und Schulen.

Jansen hat den ihm eigentlich wesensfremden Beruf des Politikers mit dem gesunden Menschenverstand des kleinen Mannes, niederrheinischer Schlitzohrigkeit, Charme und Hartnäckigkeit gelebt. Den Abgeordneten Jansen kannte jeder Minister genau. In der Landesverwaltung wussten sie, dass der Mann mit der unverkennbar niederrheinischen Zunge kam, um Arbeit zu machen.

Denn er fragte nicht nur einmal, sondern wenn nötig auch hundertmal, warum denn dieses oder jenes noch nicht umgesetzt sei. Und so wurde er denn über die Jahre zu Gladbachs ungekürtem 15. Nothelfer.

Es ist aussichtslos, in der Stadt jemanden finden zu wollen, der Böses über ihn sagt. Seine unglaubliche Beliebtheit verdankt er seiner Gradlinigkeit, seiner Bescheidenheit und dem Umstand, dass er den biografischen Aufstieg ohne jede Schramme am Charakter überstanden hat. Ob als Anstreicher, als Berufspolitiker oder als Aufsichtsratsvorsitzender der Borussia — er ist und bleibt für alle "unser Hermann".

Über seinen 80. Geburtstag freut er sich diebisch. "Ich habe wirklich nicht damit gerechnet, so alt zu werden", sagt er strahlend. Sein Vater starb mit 72, seine Mutter mit 52, seine Schwester mit 64.

Er selbst hat den Lungenkrebs und einen Herzinfarkt überstanden. Nach den schweren Krankheiten hat er weiter gemacht wie immer. Wer sich um Menschen kümmert, ist halt nie im Ruhestand. Noch zwei Jahre ist er als Vorsitzender der Arbeiterwohlfahrt gewählt.

Und wer ihn händchenhaltend mit seiner Helga ("Sie können sich nicht vorstellen, wie sehr ich diese Frau liebe") und heute am Geburtstag mit seinen drei Söhnen und fünf Enkeln sieht, der weiß: Um Jansen muss man sich keine Sorgen machen. Er drückt das — mit seinem verschmitztesten Lächeln — so aus: "Die 90 ist Pflicht."

(RP)
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