Serie Was macht eigentlich? Helga Heine: Königin Silvias olympische Kollegin

Mönchengladbach · Ein "Vagabunden-Dasein" als Kind, zwei Jahrzehnte Arbeit für das Internationale Olympische Comitee, am Ende Pressesprecherin der britischen Streitkräfte in Deutschland: Helga Heine hat die Welt und viele interessante, hochrangige Persönlichkeiten kennengelernt.

 Eingekleidet als Olympia-Hostess: Helga Heine 1972 in München.

Eingekleidet als Olympia-Hostess: Helga Heine 1972 in München.

Foto: Helga Heine

Den Mann fürs Leben, so wie ihre Kollegin Silvia Sommerlath, die heutige Königin von Schweden, hat Helga Heine nicht kennengelernt als Chef-Hostess und Protokoll-Beraterin bei den Olympischen Sommerspielen 1972 in München. Was sie aber gar nicht störte. Denn sie war ja schon verheiratet und glücklich — mit ihrem Mann und mit ihrem Beruf. Der war nicht völlig ungewöhnlich: Dolmetscherin und Übersetzerin. Was aber daraus am Ende wurde, das passt nicht unbedingt ins gängige Bild: ein Job bei den britischen Streitkräften in Deutschland, auch schon mal mit Einsätzen in Kriegsgebieten wie zuletzt im Kosovo.

Für Helga Heine jedoch war es "fast ein Nach-Hause-Kommen", als sie 1990 ihren ersten Job, zunächst als Dolmetscherin und Übersetzerin, in den Vereinigten Hauptquartieren (Joint Headquarters, kurz JHQ) in Rheindahlen antrat. "Ich kannte keine Berührungsängste mit Uniformen", sagt die heute 67-Jährige. Denn mit militärischer Lebensweise und Umgangsformen war sie von Kind an vertraut: Ihr Vater war Berufsoffizier, am Ende Brigadegeneral. Und ihr Mann ebenfalls, bis zu seinem frühen Tod 1988; da war er Oberstleutnant.

Nun ist Helga Heine kein Typ, den mancher sich auf Anhieb als "Soldatin" vorstellen mag. Sondern ausgesprochen gut aussehend, vor allem aber unkompliziert, fröhlich und herzlich. Was gewiss nicht hinderlich war, als sie sich 1968 vor den Olympischen Sommerspielen 1972 als Hostess bewarb. "Ich hatte als Dolmetscherin bei der Hannover-Messe gearbeitet und war dann von der dort ansässigen Arbeitsagentur für die Aufgabe im Vorfeld der Spiele angesprochen worden", erklärt sie.

Insgesamt 1200 Hostessen wurden vom Organisationskomitee im Auftrag des Internationalen Olympischen Comitees (IOC) für die Spiele in München und ihre Vorbereitung gesucht. Beim Vorstellungsgespräch war neben Helga Heine auch eine gewisse Silvia Renate Sommerlath (25), ebenfalls Sprach- und Dolmetscher-Studentin, federführend dabei. Nicht ahnend, dass sie beim olympischen Einsatz einen gewissen Carl Gustav kennenlernen sollte, der sie 1976 als König von Schweden heiraten würde.

Als die Spiele dann im August 1972 begannen, war Helga Heine wie Silvia Sommerlath Chef-Hostess und für die Ausbildung und das Management von Hostessen zuständig. "Es gab 150 Chefhostessen, zehn davon waren auch für protokollarische Aufgaben zuständig", erzählt Helga Heine. Sie war eine von diesen zehn. 20 Jahre, bis 1988, war sie freiberuflich ("mal für einen Monat, aber auch schon mal für ein Vierteljahr") für das IOC tätig, auch bei den Olympischen Spielen 1976 in Innsbruck und 1980 in Lake Placid/USA. Dazu war sie bis 1988 bei acht der alljährlichen Vollversammlungen des IOC, quer durch die Welt. Ihre Aufgaben: Betreuung der besonders wichtigen Personen, kurz VIPs, für deren Besuchsprogramme, Reisen, Pressegespräche, Konferenzorganisation und auch für Sicherheitsfragen.

"Da waren immer die jeweiligen Staatspräsidenten und Regierungschefs dabei, wie etwa Jimmy Carter oder Indira Gandhi und in München fast alle Staatschefs der 122 Nationen. "Das IOC hatte 91 Mitglieder aus etwa 60 verschiedenen Ländern, alles sehr hochgestellte Persönlichkeiten mit unterschiedlichen Mentalitäten und Erwartungen. Da durfte es an nichts fehlen. Und man brauchte sehr viel Einfühlungsvermögen", sagt Helga Heine — was sie und Silvia Sommerlath ebenso besaßen wie Organisationstalent und Herzlichkeit. "Silvia und ich waren noch im Februar 1976 in Innsbruck gemeinsam im Einsatz. Sie war genauso natürlich wie vorher. Vier Wochen später verlobte sie sich mit König Carl Gustav, im Juni heirateten die beiden", berichtet Heine.

20 Jahre Einsatz für das IOC, dazu Sonderberater in Protokollfragen bei den Bewerbungen von Berlin und Berchtesgaden für die Olympischen Spiele 1990 bzw. 1992: Das hat sie auch aus Freude an der Arbeit und dem Kennenlernen sehr interessanter Menschen gemacht und nicht, weil der Job so gut bezahlt gewesen wäre: "Es gab nur ein kleines Gehalt, aber eben viel Spaß und immer neue Erfahrungen." Und 1976 in Innsbruck für sie und sieben Kolleginnen am Ende den österreichischen Verdienstorden.

1982 kam ihr Mann zu seiner letzten Station, dem Territorialkommando Nord, nach Mönchengladbach. Als er 1988 starb, war Schluss mit dem olympischen Einsatz: "Ich stand allein mit zwei Kindern da und musste unseren Lebensunterhalt verdienen." Die noch recht junge Witwe arbeitete nun vormittags beim Textilmaschinen-Hersteller Schlafhorst, übersetzte Texte, las und redigierte Artikel für Broschüren und Reden. Nachmittags half sie bei Freunden in einem Düsseldorfer Antiquariat.

Auf Dauer aber brauchte die alleinerziehende Mutter einen Ganztagsjob. Bei der Suche stieß sie 1988 in der RP auf eine Stellenanzeige, in der die britischen Streitkräfte eine Dolmetscherin für Deutsch und Französisch suchten — möglichst, aber nicht unbedingt zwingend, mit Englisch als Muttersprache. "Ich habe meinen ganzen Mut zusammengenommen, mich beworben — und wurde genommen", erzählt sie. "Es war eine hochinteressante Arbeit, die alle möglichen Bereiche betraf. Es gab zahllose Übersetzungen aus den verschiedensten Fachgebieten, von technischen Anweisungen, zum Umgang mit Munition bis hin zu juristischen Fragen. Und das Dolmetschen auf allen Ebenen, vornehmlich bei Verhandlungen mit deutschen Behörden."

Dennoch suchte sie nach drei Jahren eine neue Herausforderung und fand sie als deutsche Pressesprecherin der britischen Streitkräfte, hauptsächlich für das britische Unterstützungskommando, in Deutschland mit Sitz im Mönchengladbacher Hauptquartier. "Meine Erfahrungen beim IOC, aber auch mein militärischer Hintergrund haben bei dieser neuen Aufgabe geholfen. Ich habe dazu verschiedene Lehrgänge in Großbritannien und Deutschland besucht", sagt Helga Heine. "Und Frauen waren bei den britischen Streitkräften, einer Berufsarmee, nichts Ungewöhnliches."

Sie koordinierte und organisierte gut 16 Jahre lang, von 1994 bis 2011, für die Berichterstattung der deutschen Medien über die Aktivitäten der Briten in ganz Deutschland, von Kiel mit dem seemännischen bis Oberstdorf mit dem alpinen Ausbildungszentrum. "Ich habe die britischen Kommandeure und auch die britischen Medien in deutschen Medienfragen beraten, Sprachregelungen und Pressemitteilungen verfasst, bei der Sensibilisierung der Bevölkerung über die Zwänge des Militärs geholfen. Ich habe immer wieder Journalisten zu Übungen und Einsätzen weltweit begleitet. Und ich war als Dolmetscherin dabei, als es bereits ab 1991 in Bonn die ersten Gespräche mit der deutschen Regierung über eine Reduzierung der britischen Streitkräfte gab, bis hin zur Pressearbeit zum Abzug aus Mönchengladbach."

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort