Serie Was macht eigentlich? Heinz Caspers, Urgestein der Altstadt

Mönchengladbach · Das Gasthaus Caspers am Grünewald war viele Jahrzehnte eine Gladbacher Institution, ein sehr beliebter Treffpunkt ohne Klassenunterschied, für Arbeiter genauso wie für die "besseren Kreise". Heinz Caspers stand 52 Jahre hinter dem Tresen.

Vor zwei Wochen war er noch einmal in "seinem" Lokal. Das heißt jetzt zwar "Stainer's", ist ganz frisch aufgemöbelt. Aber Heinz Caspers fühlte sich gleich wieder wie zu Hause. "Es ist sehr schön geworden", sagt der 85-Jährige. Er ist froh, dass die Abrissbagger, die in den vergangenen Jahren gewissermaßen drohend vor der Tür des Hauses gestanden hatten, die Arbeit nicht aufgenommen haben. Stattdessen ist nun ein Lokal wiedereröffnet, das als Gasthaus Caspers am Grünewald Altstadt-Tradition verkörperte, längst ehe die Gladbacher Altstadt als Unterhaltungsmarke dank Günter Netzer & Co. erfunden worden war.

Es gibt unzählige Geschichten, die bei Caspers passiert, erzählt oder auch einfach nur erfunden worden sind. Die vom pensionierten Polizeipräsidenten, der am Stammtisch saß, während in der Wohnung über der Wirtschaft eingebrochen wurde, ist übrigens wahr. Heinz Caspers (nicht verwandt mit dem Wirt des gleichnamigen, ebenfalls traditionsreichen und kürzlich nun auch geschlossenen Gasthauses im Westend) kannte seine Gäste so gut, dass vielen ihr bevorzugtes Getränk gebracht wurde, kaum dass sie Platz genommen hatten.

Das Gasthaus an der Ecke Aachener- und Waldhausener Straße, das ab 1937 von Anton und Änne Caspers und von 1953 bis Ende 2000 von ihrem Sohn Heinz und seiner Frau Hilla geführt wurde, war klassenlos. "Bei uns gab es keine Unterschiede", erzählt Heinz Caspers. Da kamen Arbeiter aus den umliegenden Fabriken ebenso wie ihre Chefs. Ärzte, Juristen, Handwerksmeister, Lehrer oder Frauengruppen. Freunde und Nachbarschaftskreise, Skatbrüder, Kegelclubs, Gesangvereine, Chöre, Sportvereine wie der TV 1848 ("Jeden Tag mit einer anderen Abteilung oder Gruppe"), der GHTC, die Altherren-Fußballer des 1. FC oder Reiter hatten hier ihre Stammtische, etliche über Jahrzehnte hinweg. Vorstände der Handwerker-Innungen hielten ihre Vorstandssitzungen und Versammlungen ab.

Gladbachs Altweiber-Karneval hatte am Grünewald nach dem Krieg seinen Ursprung. Fast zwei Jahrzehnte kamen die Möhnen aus der Stadt und der näheren Umgebung und stellten sich den Preisrichtern. Das Gasthaus Caspers bot (Sitz)-Platz für bis zu 100 Personen. Das "Sälchen" war beliebt für Geburtstagsfeiern, Silberne, Goldene, Diamantene Hochzeiten, Ehemaligenreffen und manches mehr. Und "am Rähmchen" holten, noch lange nach dem Krieg, Nachbarn in Krügen ihr frisch gezapftes Bier für den Trunk daheim.

Es gab gepflegte Biere überregionaler wie der lokalen Brauereien Hensen und Dietrich. Die Küche unter der Regie von Hilla Caspers war gutbürgerlich, bekannt über die Region hinaus. Ihre Muscheln waren fast legendär, "Und unsere Stärke war auch, dass es warme Küche immer bis 24 Uhr gab."

Die Tradition wahren, aber auch nach neuen Ideen suchen: Damit hatte Heinz Caspers über fünf Jahrzehnte Erfolg — schon bald, nachdem er und seine Frau 1953 das Haus von seiner Mutter übernommen hatten. "1954 haben wir zur Fußball-WM ein Fernsehgerät aufgestellt. Beim Endspiel Deutschland gegen Ungarn habe ich 400 Mark eingenommen", erzählt er. Und: "20 Jahre später, bei der WM in Deutschland, habe ich einen Farbfernseher gekauft. Doch dann kamen ganze 88 Mark rein. Denn die Leute hatten da alle schon selbst Farb-TV." Ähnlich war es bei den ab Mitte der 50er Jahre ausgestrahlten Fernseh-Spielshows wie Peter Frankenfelds "1:0 für Sie": Anfangs war das Sälchen bei Caspers immer rappelvoll, dann wurde es weniger, weil es immer mehr Fernsehgeräte in den Haushalten gab.

Heinz Caspers erkannte Anfang der 90er Jahre den Trend zur Außengastronomie: "Wenn schönes Wetter war, kamen keine Gäste mehr. Sie gingen lieber zum Alten Markt. Da haben wir hinter dem Haus einen Biergarten angelegt, der schnell als einer der schönsten der Region bekannt wurde." Nun freut er sich, dass die Betreiber des Mitte September wiedereröffneten "Stainer's" auch den Biergarten aufgemöbelt und ein klares Ziel haben: "Wir möchten das Traditionshaus wieder zu dem machen, was es einmal war", sagt Michael Kremer.

Heinz und Hilla Caspers haben das Gebäude 2001, nach ihrem Rückzug ins Privatleben, verkauft. Sieben Jahre wurde es danach unter dem neuen Namen "Stainer's" geführt, 2008 aber geschlossen. Weil es angeblich baufällig war, drohte sogar der Abriss. Vor allem auf Betreiben der Altstadt-Initiative wurde das verhindert. "Solch eine Institution und so ein stadtbildprägendes Gebäude dürfen nicht einfach verschwinden, sondern gehörten eigentlich unter Denkmalschutz. Es war keineswegs baufällig, sondern für sein Alter in relativ gutem Zustand", sagt Vorsitzender Johannes Jansen. "Dahinter steckten wohl andere Interessen."

(RP)
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