Mönchengladbach Hebammen streiken für mehr Geld

Mönchengladbach · Der kleine Louis Silas windet sich auf der Wickelunterlage, Gudrun Schöngen-Oude Hengel tastet vorsichtig den Bauch des drei Wochen alten Säuglings ab. "Alles, wie es sein soll", sagt sie und blickt in die erleichterten Augen von Louis Mutter Daniela Kuhlen.

Das ist es, was Hebammen bei der Vor- und Nachsorge, aber auch während der Geburt leisten: Sie fühlen sich in die (werdende) Mutter hinein, nehmen ihr ihre Ängste. Bezahlt werden freiberufliche Hebammen dafür mit einem ungerechtfertigt niedrigen Lohn. Für eine Geburt bekommen sie eine Pauschale von 237 Euro. Brutto.

"Und so eine Geburt, egal, wie schön dieses Ereignis auch jedes Mal aufs Neue ist, ist eine extrem anstrengende, fordernde Arbeit — auch für die Hebamme", sagt Gudrun Schöngen-Oude Hengel. Sie ist seit 20 Jahren als Hebamme tätig, 13 Jahre davon als Freiberuflerin in Gladbach. Und war letzte Woche im Streik. "Freitag habe ich alle Vor- und Nachsorge-Termine abgesagt. Hätte eine Geburt angestanden, wäre ich natürlich trotzdem für meine Patientin da gewesen."

Der Deutsche Hebammen-Verband hatte bundesweit zu einer Streikwelle aufgefordert. Vergangene Woche war NRW dran. "Als Beleghebamme arbeite ich für einen Stundenlohn von durchschnittlich 7,50 Euro", so Schöngen-Oude Hengel. Dafür lastet eine große Verantwortung auf ihr, für die sie nun auch mehr bezahlen muss: "Innerhalb der vergangenen vier Jahre hat sich der Satz der Berufshaftpflichtversicherung vervierfacht", sagt Schöngen-Oude Hengel.

Von 900 Euro ist der Jahresbeitrag 2011 auf 3700 Euro gestiegen. Und er kann sich auch im kommenden Jahr weiter erhöhen. "Dabei gibt es nicht mehr Schadensfälle als zuvor. Aber die Versicherungen berechnen mittlerweile Millionensummen für ein geschädigtes Kind", erklärt die Hebamme. Doch das sei nicht einmal das Problem. "Wir werden nicht dem Wert unserer Arbeit entsprechend bezahlt. Wenn nun auch noch die Nebenkosten so weit steigen, müssen viele Hebammen bald ihren Job aufgeben, weil er sich nicht mehr rentiert."

Das mache sich schon jetzt bemerkbar. "Ich kann fünf Frauen auf ganzheitliche Weise im Monat betreuen. Also mit Vor- und Nachsorge und Geburtsbegleitung." In Gladbach jedoch arbeiten derzeit nur vier freiberufliche Hebammen auf diese Weise.

Viele Frauen melden sich deshalb schon bei Gudrun Schöngen-Oude Hengel, wenn sie den positiven Schwangerschaftstest in den Händen halten. Denn vielen ist es wichtig, während der Geburt nicht von einer fremden Hebamme betreut zu werden oder, wegen Schichtwechsel im Krankenhaus, gar mehrere verschiedene Geburtshelferinnen zur Seite gestellt zu bekommen. Werden sich die finanziellen Rahmenbedingungen jedoch nicht dauerhaft ändern, werden schon bald nicht mehr alle Frauen die Möglichkeit haben, sich für eine Rundumbetreuung zu entscheiden. Bereits jetzt zahlen die Mütter 200 Euro Rufbereitschaft-Pauschale selbst.

(RP)
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