Mönchengladbach Hamlet im Schneegestöber

Mönchengladbach · Das Shakespeare-Projekt der Kulturpädagogik-Studenten an der Hochschule Niederrhein verlegt das Drama "Hamlet" auf Flure, Vorlesungsräume und sogar die Wiese vor dem Institut. Eine theatrale Erlebniswanderung. Den Studierenden gelingt eine kreative Spitzenleistung.

Diese Premiere steht unter einem guten Stern: Es schneit. Im Innenhof der Hochschule Niederrhein flackern rote Grablichte um ein mühsam im Gestöber freigelegtes Begräbnisfeld, zu dem die Theatergemeinde glitscht, in Decken gehüllt oder beschirmt. Dunkel die Nacht, schwarz der Sarg, aus dem Off schlagert live das Lied von den zwei Königskindern.

Wir werden Zeugen eines Teils des Dramas, dem Shakespeare den Titel "Hamlet" gab und das hier von überwiegend weiblichen Studierenden der Kulturpädagogik in szenische Häppchen verknappt und als Stationendrama inszeniert wird. Gespenstisch. Rund die Hälfte des studentischen Eingangsjahrgangs hat sich fürs Darstellen entschieden beim Projekt, das wesentlicher Teil der Ausbildung ist.

Fieber der Anspannung

25 junge Frauen und Männer bringen unter der fürsorglichen Anleitung der Professoren Mona-Sabine Meis und Jürgen Weintz ihr Vorwissen und ihre unterschiedlichen, teils erstaunlich versierten darstellerischen Fähigkeiten ein in ein Projekt, wie sie es in ihrem Beruf später etwa in Theater-Jugendclubs selbst leiten werden. Und aus der Distanz betrachtet erkennt man bei den Akteuren die faszinierende Mischung aus Selbstverwirklichung auf der Bühne und Kreativität im Umgang mit altehrwürdigen Textvorlagen und den Möglichkeiten des Theaters, was diesen Bereich kulturpädagogischer Arbeit so interessant macht: Vor, während und nach der Vorstellung leuchten die Augen der Beteiligten vor Begeisterung, das Fieber der Anspannung erhitzt die Gesichter, elektrisiert die Körper. Denn das Werk soll gelingen.

Eine Art Puck leitet die Zuschauer mit Taschenlampe durchs Dunkel des Hochschulgebäudes. Geheimnisvolle Gestalten lehnen im Treppenhaus, von oben rieselt Partymusik. Man mischt sich unters Feiervolk, darf an der Deko naschen (Salzstangen), ein König hält eine Feiertags-Rede, eine Königin signalisiert sexuelle Bereitschaft. Man stößt an, dieweil am Partyhocker nebenan ein junges Paar schäkert. Das sind Hamlet und Ophelia, er ist schlecht drauf, weil sein Onkel seine Mutter heiratete mitsamt dem bekannten Drama.

Das Publikum ist mittendrin in den Auseinandersetzungen, die, wie man weiß, in Mord, Wahnsinn, Unglück münden. Laertes kommt mit Koffer vorbei, später erscheint ein Geist im Treppenhaus, die jungen Leute kriegen Krach, immer mitten im Zuschauerpulk. Wie durch ein Labyrinth folgt man Puck von Szene zu Szene. Hier wickelt Polonius Töchterchen Ophelia in Cellophan und fesselt sie dabei; dort ziehen gleich fünf Ophelias mit Flatterband eine sechste in den Wahnsinn. Gleich drei Hamlets sprechen das berühmte "Sein oder nicht sein", am Schminktisch der Königin erschießt Hamlet Polonius und flucht derb: "Fuck, das wollt' ich nich!"

Am Ende, bevor sich alles ins Schweigen wendet, geht es in Ninja-Krieger-Manier noch sehr multipel zu, die Choreografie bemächtigt sich der Inszenierung, bis alle schwarzen Krieger tot am Boden liegen. Licht zuckt, Musik verstummt. Begeisterung allenthalben für eine fantastische Teamarbeit voller Witz, Ernst, Wissen und einer Riesenportion Können.

(RP)
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