Mönchengladbach Günter und Elfriede Thelen: Immer noch springlebendig

Mönchengladbach · Sie war Deutsche Meisterin im Kunst- und Turmspringen, er Bundestrainer. Günter und Elfriede Thelen begründeten in den 60er Jahren den bundesweiten Ruf der "Rheydter Springerschule". Tochter und Enkel wollen ihn nun wiederbeleben, während Günter und Elfriede, 86 und 78 Jahre, heute eher gemächlich ihre Runden schwimmen. Die Thelens und die Rheydter Springerschule: Das ist fast schon so etwas wie eine unendliche Geschichte. Begonnen hat sie 1935 im damaligen Rheydter Stadtbad, wo der neunjährige Günter beim Schwimmen wagemutiger und eleganter ins Wasser sprang als all seine Freunde. Ein paar Jahre später tat es ihm Elfriede Tellmann nach. 1951 lernten sich die beiden kennen – im Schwimmbad, versteht sich. Zwei Jahre später heirateten sie. 1958, 59 und 60 wurde Britta Thelen Deutsche Meisterin. Zur ganz besonderen Freude des Bundestrainers – ihres Mannes Günter Thelen.

Heute setzt der Enkel der beiden die Familientradition fort: Phillip Thelen, 17 Jahre, war der junge Mann, der Anfang März dieses Jahres bei der Wiedereröffnung des Pahlkebades vom Zehn-Meter-Turm den Handstand-Salto ins Becken demonstrierte. So ähnlich, wie es seine Großmutter bei der ersten Eröffnung des Pahlkebades vor den Ehrengästen getan hatte. "Aber das war nur der Handstand zum Fußsprung", stellt Elfriede Thelen klar. Sie war damals, 1969, immerhin schon 35 Jahre. Und Trainerin der Wasserspringer der Schwimm-Sport-Vereinigung (SSV) Rheydt, was sie bis 1993 blieb. Ihre Nachfolgerin wurde und ist auch heute noch die Tochter: Britta Thelen.

Das Springen liegt bei den Thelens also im Blut. Bei Günter so sehr, dass er sich 1943, als er als 18-Jähriger in den Krieg ziehen musste, zu den Fallschirmjägern meldete. Genommen wurde er, das mit dem Springen war aber gar nicht so einfach: "Denn wir hatten schon keine richtigen Flugzeuge mehr", erzählt Günter Thelen. "So wurden wir mit Segelflugzeugen aus Pappe in Frankreich hinter den Linien des Gegners abgesetzt, um dort etwas in die Luft zu sprengen."

Vier Jahre war Fallschirmspringer Günter Thelen in Kriegsgefangenschaft: zunächst in der französischen Kolonie Algerien, das letzte Jahr in Frankreich. "Weil ich Französisch sprach und einen Führerschein hatte, wurde ich Fahrer eines Obersts und hatte so als Gefangener ein recht gutes Leben", erzählt er.

1949 kam Günter Thelen zurück nach Rheydt, stieg in die Schreinerei des Vaters an der Oberheydener Straße ein, wurde Schreinermeister und fand zu seinen Springer-Freunden in der SSV zurück. Den großen Erfolg schaffte er allerdings als Springer nicht. Die Teilnahme an der Deutschen Jugend-Meisterschaft 1943 in Breslau blieb sein größter Erfolg. "Welchen Platz ich dabei belegt habe, weiß ich gar nicht mehr. Ich war nicht so ein Leistungsspringer wie meine Frau", sagt der 86-Jährige.

Elfriede Tellmann ("Ich war immer mutig") hatte den Spaß daran, nicht nur vom Einmeter-Brett im alten Stadtbad (das war dort, wo heute Karstadt ist) zu springen, als 17-Jährige im Odenkirchener Freibad an der Beller Mühle entdeckt. Dort gab es einen Zehn-Meter-Turm, von dem Elfriede sich stürzen konnte: "Da war allerdings bei schönem Wetter immer viel Betrieb, so dass man oft gar nicht springen konnte, bei all den Leuten, die im Wasser planschten." Doch für die jungen Leute der SSV Rheydt, der sich Elfriede Tellmann angeschlossen hatte, drückte der Schwimmbadwärter ein Auge zu: "Er hat uns erlaubt, abends, wenn das Bad geschlossen war, über den Zaun zu klettern und zu trainieren."

Ihr Übungsleiter war Günter Thelen, der sehr bald nicht nur das sportliche Talent seiner Schülerin lieben lernte. Elfriedes Bruder Werner und Günther Thelen lernten sich auch beruflich kennen: Beide machten 1956 ihre Prüfung zum Schreinermeister. Werner Tellmann blieb dem Metier treu, eröffnete später ein Möbel- und Einrichtungshaus. Günter Thelen hingegen zog sich mehr und mehr aus der väterlichen Schreinerei zurück, wurde zum Trainer: "Weil ich selbst für den aktiven Sport schon zu alt war, betreute ich zunächst unsere Jugendlichen in der SSV, brachte ihnen das Springen bei."

Aus dem Hobby-Übungsleiter der SSV wurde der Bezirkssprungwart, der Westdeutsche Schwimmverband holte sich den Rheydter und schließlich der Deutsche Schwimmverband: Günter Thelen wurde 1962 als lizenzierter Bundestrainer Angestellter des Deutschen Sportbundes. 14 Jahre blieb er es, machte die Olympischen Spiele 1964 in Tokio, 1968 und 1972 in München mit. Es war die große Zeit der Rheydter Springerschule. Klaus Konzorr, Herbert Barendt, Ernst Kreuder und später Stefan Korsten gehörten dazu. Es gab einmal einen Länderkampf gegen Finnland in Helsinki, bei dem die deutsche Nationalmannschaft zum großen Teil aus Rheydter Springern bestand.

Aus dem Hobby-Übungsleiter Günter Thelen war längst ein sehr gut ausgebildeter Trainer geworden: "Wir wurden immer wieder quer durch die Welt geschickt, damit wir immer auf dem Laufenden waren. Bis auf Australien bin ich so bei Wettkämpfen und Lehrgängen in allen Kontinenten gewesen", erzählt Thelen. 1976, vor den Olympischen Spielen in Montreal, wurde sein Vertrag nicht mehr verlängert.
"Das Mobbing hatte schon 1972 in München begonnen. Es ging gar nicht um mich persönlich, sondern um den Konkurrenzkampf mit der Aachener Springerschule. Sie wollte den Bundestrauner stellen und hat dann 1976 auch Ursula Klinger durchgesetzt", schildert Günter Thelen den Fall. Opfer der verbandsinternen Querelen sei dann auch der Rheydter Stefan Korsten geworden; obwohl er beide Qualifikationen gewonnen hatte, wurde er nicht nach Montreal geschickt.

Günter Thelen ging in seinen erlernten Beruf zurück: als Bauleiter eines Unternehmens für Holzbau, da es die Schreinerei der Familie in Heyden nicht mehr gab. Seine Frau, die nach ihren drei deutschen Meistertiteln 1959 bei den vorolympischen Spielen in Rom Zweite geworden war, die Nominierung für die Spiele 1960 aber nicht schaffte, hatte 1963 den B-Trainerschein gemacht und die Betreuung der SSV-Springerschule übernommen. Sie wurde später Honorartrainerin des Westdeutschen Schwimmverbandes. 1991, mit 57 Jahren, gab Elfriede Thelen, gelernte Seidenweberin und von 1973 bis 94 Sportlehrerin an verschiedenen Schulen der

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