Serie Kriminalfälle in Mönchengladbach 2007: Eine doppelte Hinrichtung in Rheydt

Mönchengladbach · Die Schüsse fielen am 9. März 2007. Ein Mann zielt mit einer Pistole mehrfach auf seine Ex-Frau. Dann erschießt er seine Tochter (18).

 Hier an der Frankenstraße fielen 2007 die tödlichen Schüsse. Polizisten sicherten Spuren am Tatort.

Hier an der Frankenstraße fielen 2007 die tödlichen Schüsse. Polizisten sicherten Spuren am Tatort.

Foto: Günter Jungmann 0171-4140802/Jungmann, Günter (gju)

Der Mordfall in Rheydt sorgte bundesweit für Schlagzeilen. Sogar die frühere NRW-Justizminsterin Roswitha Müller-Piepenkötter (CDU) hatte sich eingeschaltet. Hätte die Justiz damals die blutige Tragödie an der Frankenstraße verhindern können?

Der 39-Jährige, der am 9. März 2007 seiner Ex-Frau vor deren Wohnung an der Frankenstraße auflauerte, hätte an jenem Tag eigentlich schon im Gefängnis sitzen können. Der Mann, gegen den ein Haftbefehl wegen Vergewaltigung vorlag, zieht an jenem Tag seine Pistole. Er schießt auf seine Frau. Sie sackt zusammen. Der 39-Jährige stellt den Fuß auf den Körper seines Opfers und schießt noch zweimal in den Kopf. Dann verfolgt der Mann, so wird es später in der Anklageschrift geschildert, seinen 13-jährigen Sohn. Der Junge kann sich hinter einem Auto retten. Auch seiner jüngeren Schwester gelingt die Flucht in den Hausflur. Der 18 Jahre alten Tochter des Angreifers gelingt das nicht. Sie tippt gerade die 110 in ihr Handy, als ihr Vater sie an den Haaren packt und ihr nächster Nähe zweimal in den Kopf schießt. Sie stirbt im Rettungshubschrauber, ihre Mutter am Tatort. Der Schütze flieht, gibt aber wenig später auf der Viersener Polizeiwache das Verbrechen zu.

Das Landgericht verurteilt ihn 2008 wegen Doppelmordes aus Heimtücke und niedrigen Beweggründen zu lebenslanger Haft mit anschließender Sicherungsverwahrung. Im Prozess kommt heraus, dass die Ehefrau und Kinder jahrelang unter dem brutalen Vater gelitten hatten. Er sperrte sie ein, schlug und bedrohte seine älteste Tochter, misshandelte und vergewaltigte seine Frau. Mehrfach floh die Mutter mit ihren Kindern in Frauenhäuser. Die von den Eltern in der Türkei arrangierte Ehe war schon lange zerrüttet, falls sie überhaupt jemals glücklich war. Als Cousin und Cousine heirateten, waren sie 16 und 17 Jahre alt.

Vor dem Doppelmord war die mittlerweile getrennt lebende Familie vor dem Rheydter Familiengericht im Streit um das Umgangsrecht aufeinander getroffen. Wütend hatte der Mann das Gebäude verlassen, als es keine Einigung gab. Die Kinder wollten offenbar vom Vater nichts mehr wissen. Seine Frau habe ihn beleidigt, sagte er später aus. Da sei er sauer geworden.

 Der Angeklagte sei voll schuldfähig, heißt es im psychiatrischen Gutachten. „Er ist eine akzentuierte Persönlichkeit mit paranoid-narzistischen Zügen“, so der Sachverständige. Er hält es möglich, dass der Mann derartige Gewalttaten auch in Zukunft begehen könne. Zeugen schildern den Angeklagten im Gerichtssaal als rachsüchtig und nachtragend.

Außer dem heimtückischen Mord gibt es einen weiteren Vorwurf gegen den Angeklagten. Er soll die Schwester der Ehefrau vergewaltigt haben. Der 39-Jährige bestreitet dies bis zum Schluss. Im Gericht sagt er: „Mit der hatte ich Sex, wann immer es möglich war.“ Die Richter glauben ihm nicht. Sie glauben der Schwägerin, die unter Ausschluss der Öffentlichkeit demütigende Details schildert, die sie zunächst aus Scham verschwiegen hatte. Mehrfach bricht die Frau bei ihren Aussagen zusammen, erst nach einer Pause und einer ärztlichen Behandlung kann die Verhandlung fortgesetzt werden. „Die Schilderung der Frau war überzeugend“, sind sich die Richter einig.

 Als der Schwurgerichtsvorsitzende die Höchststrafe verkündet, blickt der Angeklagte zu Boden. Während er in der Urteilsbegründung als Machtmensch beschrieben wird,, der Widerspruch nicht gelten lässt und der mit Wut und Aggressionen reagiert, wenn die Familie nicht gehorcht, reagiert der 39-Jährige ohne erkennbare Gefühlsregung.

 Krimi Serie Mönchengladbach Kriminalfälle

Krimi Serie Mönchengladbach Kriminalfälle

Foto: grafik

Mit dem aufsehenerregenden Mordprozess ist der Fall noch nicht beendet. Eine Anwältin aus der Nebenklage des Mönchengladbacher Mordprozesses hat der Fall so bewegt, dass er Teil Buches wird. Weil darin aber auch intime Details vorkommen, die das Vergewaltigungsopfer vor Gericht unter Ausschluss der Öffentlichkeit aussagte, entscheidet das Oberlandesgericht Düsseldorf, dass die Passagen in dem Buch „Kein Schutz, nirgends“ gestrichen werden müssen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort