Gregor Bonin Gladbach muss eine wachsende Stadt werden

Mönchengladbach · Planungskultur, ein neues Entrée in die Stadt, mutige Mitarbeiter und die Geometrie des Ganzen - so will der neue Baudezernent arbeiten.

 Auch während seiner mehr als 20 Jahre in führenden Positionen in der Düsseldorfer Stadtverwaltung ist Bonin in Mönchengladbach wohnen geblieben. Jetzt will er die Stadt gestalten und hat dazu klare Vorstellungen.

Auch während seiner mehr als 20 Jahre in führenden Positionen in der Düsseldorfer Stadtverwaltung ist Bonin in Mönchengladbach wohnen geblieben. Jetzt will er die Stadt gestalten und hat dazu klare Vorstellungen.

Foto: Isabella Raupold

Sie sind heute mit 51 von 64 Stimmen zum Mönchengladbacher Baudezernenten gewählt worden. Was bedeutet dieses Ergebnis für Sie?

Dr. gregor bonin Dieses Vertrauen ist eine hervorragende Basis, auf die ich nun aufsetzen kann. Ich freue mich sehr darauf, dass Mönchengladbach nicht länger nur mein Lebensmittelpunkt ist, sondern jetzt auch zu meinem Arbeitsschwerpunkt wird.

Sie wechseln ohne Not aus der Landeshauptstadt Düsseldorf nach Mönchengladbach. Warum?

Dr. gregor Bonin Dass Düsseldorf mit Projekten wie dem Medienhafen und dem Kö-Bogen eine andere Flughöhe hat als Mönchengladbach hat, ist klar. Aber Gladbach hat für mich persönlich etwas anderes als Düsseldorf zu bieten: Gladbach ist meine Heimat. Und zwar eine Heimat, die sich nach Jahrzehnten des Stillstands gerade dynamisch entwickelt. Bürger, Unternehmer, Politiker, die ganze Stadtgesellschaft, eint im Moment derselbe Eindruck: Hier geht was. Diesen Aufbruch in seiner Heimat mitgestalten zu können, ein Teil von einer Bewegung zu werden, Anstöße zu geben, um aus Mönchengladbach herauszuholen, was in dieser Stadt schlummert - das ist etwas ganz Besonderes. Mich haben in den vergangenen Wochen viele Menschen angesprochen und sich gewünscht, dass ich daran mitwirke. Das hat mir den letzten Push gegeben, auf mein Bauchgefühl zu hören.

Was schlummert denn in der Stadt?

Bonin Diese Stadt macht sich kleiner, als sie ist. Sie hat unheimliches Potenzial. Wenn wir privat Besuch haben und ich Mönchengladbach zeigen will, machen wir gemeinsam eine Radtour. Dann fahren wir zum Beispiel nach Eicken. Was für ein unglaublicher Stadtteil, was für eine Lebendigkeit! Eicken könnte auch in Berlin liegen. Und dann fahren wir in die Bezirke, durchs Grüne, durch diese großartige niederrheinische Landschaft. Stadt und Natur in unmittelbarer Nachbarschaft - das ist es, was so viele suchen. Mönchengladbach hat es, und das auch noch zu vernünftigen Preisen, und redet dieses große Pfund mit einem selbst erfundenen Negativ-Image permanent klein. Wofür steht diese Stadt? Sie ist die lebenswerte Großstadt im Grünen. Aus diesem Alleinstellungsmerkmal in der Region kann die Stadt so viel mehr machen.

Freizeitpark Seasons, City Ost, Reme-Gelände, Landmarke gegenüber der Kaiser-Friedrich-Halle - wie wichtig sind diese Großprojekte für Mönchengladbach?

Bonin Sie sind immens wichtig, weil jedes dieser Projekte auf seine Art helfen kann, die Stadt neu zu entwickeln. Die Aufzählung ist genau richtig, ein Projekt aber haben Sie vergessen: das Gelände der Kliniken Maria Hilf.

Dann fangen wir damit an. Was soll auf dieses Gelände?

Bonin Was wir da nicht brauchen: irgendwas mit Wohnungsbau, und wir fangen mal schnell an, das zu vermarkten. Dieses Gelände ist eine einmalige Chance für die Identität der Stadt. Da schreiben wir einen Teil des Stadtgrundrisses neu. Entsprechend genau will überlegt sein, was wir dort tun. Für wen brauchen wir dort Wohn- und Lebensraum? Ich kann mir an dieser Stelle Wohnen für Familien vorstellen, ökologisches Bauen, Wohnen für Senioren, urbanes Leben mit Hallen für Kunst. Da geht einem das Herz auf, wenn man anfängt zu planen. Im Prinzip bräuchte man dafür eine "Architektur-Bauausstellung". Zumal das Gelände für mich noch viel größer ist. Ich beziehe die Fläche gegenüber mit dem Verwaltungsstandort mit ein. Das kann ein neues Entrée in die Stadt werden. Das ist eine Aufgabe, auf die ich mich schon jetzt riesig freue.

Seasons?

Bonin Vom potenziellen Imagegewinn her, von den Auswirkungen auf die Wirtschaftskraft, ist das eine immense Chance für die Stadt. Es lohnt sich in diesem Stadium noch nicht, kleinteilig über die konkrete Nutzung zu diskutieren. Im Moment gibt es nur eine Marschroute: Haben wir eine Chance? Dann nutzen wir sie! Von diesem Projekt profitiert die Stadt übrigens auch, wenn es kleiner oder gar nichts wird. Weil es deutlich macht, wie Investoren von außen auf diese Stadt schauen. Man erreicht in zwei bis drei Fahrstunden zig Millionen Menschen. Gladbach liegt optimal. Auch das ist vielen bewusst - nur den Gladbachern nicht.

Reme-Gelände?

Bonin Ein schönes Beispiel, wie Mönchengladbach von Überschwappeffekten aus Düsseldorf profitieren kann. Denn Wohnraum in Düsseldorf ist knapp und teuer. Was dort entsteht, kann wie ein Staubsauger Familien aus Düsseldorf absaugen.

Und die Landmarke, das hohe Bürogebäude hinter der Bahnlinie, als Gegengewicht zur Kaiser-Friedrich-Halle, das der Masterplan vorschlägt? Ist das realistisch?

Bonin Natürlich ist es das. Warum nur eine? Warum nicht zwei? Ich weiß nicht, ob sich genau für diese Idee Investoren finden lassen werden. Aber die Idee ist richtig! So müssen wir diese Stadt entwickeln: Wir brauchen als erstes ein gemeinsames Ziel für diese Stadt. Und wenn ich sage wir, dann meine ich die Verwaltung, die Politik und die Bürger, von deren Kreativität wir profitieren müssen. Und dann brauchen wir die Wege, die zu diesem Ziel führen. So entsteht eine Geometrie des Ganzen.

Wie muss Ihrer Meinung nach dieses Ziel aussehen?

Bonin Gladbach als wachsende Stadt. Wir stehen in einem Wettbewerb mit anderen Städten um Köpfe und um Kreativität. Den wollen wir gewinnen. Die wachsende Stadt ist für mich die Überschrift über allem. Dazu müssen sich all die Teile zusammenfügen, innen wie außen. Innen meint: die Verwaltung, auch die Politik. Außen meint: die Investoren, die Architekten, die IHK, die vielen engagierten und kreativen Bürger. Wir brauchen Qualität, in der Planung, in der Architektur, im Wettstreit der besten Ideen. Wir brauchen Quantität, nämlich Arbeitsplätze und guten Wohn- und Freizeitraum für die Menschen, die hier leben. Und wir brauchen Geschwindigkeit, in den Ideen und in den Prozessen. Geometrie des Ganzen heißt auch: Wir brauchen zwei starke Innenstädte. Denn eine Stadt entwickelt sich immer von innen nach außen. Und wir brauchen lebendige, lebenswerte Bezirke drum herum.

In Düsseldorf trauert man einem kunstsinnigen und streitbaren Baudezernenten hinterher. Finden Sie sich in diesen Zuschreibungen wieder?

Bonin Ich streite gern für gute Projekte - und am liebsten um die besten Ideen. Ich sehe meinen Auftrag nicht darin, alles weiter zu machen wie bisher. Ich werde vieles auf den Prüfstand stellen, strukturell wie inhaltlich. Wenn ich mir die Stadt und die Prozesse anschaue, sehe ich einiges, was ich nicht verstehe. Da werde ich nachfragen, es mir erklären lassen und es ändern, wenn ich das für nötig halte. Ich habe bei meiner Vorstellung in den Parteien auch klar gesagt: Diesen Weg zu einer Planungskultur müsst Ihr mitgehen! Das ist ein neuer Weg und kein: Weiter so! Und zu dem Kunstsinnigen: Ich male seit 30 Jahren, habe ein Atelier in Gladbach. Zuletzt habe ich mehr skulpturell gearbeitet. Und als ich am Wochenende beim parc/ours unterwegs war, habe ich gedacht: Das wäre doch toll, wenn du da irgendwann mal wieder ausstellen könntest. Das ist mein Privatvergnügen. Für die Stadt wichtig ist es, alle Impulse aufzusaugen und zu verwerten. Da gehören natürlich die Anregungen von Künstlern, die hier leben und arbeiten, dazu.

Welche Strukturen braucht eine Verwaltung, um im beschriebenem Sinn arbeiten zu können? Worauf müssen sich ihre Mitarbeiter einstellen?

Bonin Meine Mitarbeiter werden mit Entscheidungsbefugnis ausgestattet und mit meiner ausdrücklichen Ermutigung, selbst aktiv zu werden und zu entscheiden. Dazu gehört, dass Dinge schief gehen können und dürfen. Ich brauche in meinem Dezernat nicht Menschen, die abends in dem Bewusstsein nach Hause gehen: Da habe ich mal wieder drei Bauanträge abgearbeitet. Sondern sie müssen sagen können: Ich habe drei Familien langfristig an Mönchengladbach gebunden. Was für ein geiler und toller Job! Wir bedienen Kunden, das sind unsere Bürger. Die wollen wir so gut und umfassend wie möglich bedienen. Das Rathaus muss jederzeit offen sein für die Wünsche und Ansprüche der Bürger.

Wird Mönchengladbach davon profitieren, dass Sie aus Ihrer Zeit in Düsseldorf Kontakt zu vielen Investoren haben?

Bonin Ich gehe fest davon aus, dass sich manche gerne zeigen lassen, was hier entsteht. Wie überhaupt ganz andere Investoren auf Mönchengladbach schauen als noch vor fünf Jahren. Was hier passiert ist, mit dem Masterplan, auch mit dem Minto, wird sehr weit über die Grenzen Mönchengladbachs hinaus sorgsam beobachtet und analysiert. In den kommenden Jahren werden hier Menschen investieren, die vor zwei Jahren kaum wussten, wo Mönchengladbach liegt.

Wann legen Sie los?

Bonin Ich will und werde in Düsseldorf nicht alles stehen und liegen lassen. Da gibt es noch ein paar Dinge abzuschließen. Aber ich will in Gladbach schnell anfangen, innen wie außen. Denn sonst ist bald Weihnachten. Dann ist schon wieder Karneval. Danach sind wegen der Osterferien viele unabkömmlich. Und so weiter. Ich möchte am 1. November meine Tätigkeit in Mönchengladbach aufnehmen. Dann starte ich am 2. mit einer Ratssitzung zum Thema Haushalt und am 3. mit dem ersten Planungs- und Bauausschuss. Was kann es Schöneres geben?

RALF JÜNGERMANN, DIETER WEBER UND INGE SCHNETTLER FÜHRTEN DAS GESPRÄCH.

(RP)
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