Mönchengladbach Gewalt hat eine neue Dimension
Mönchengladbach · Jedes Jahr suchen 80 Frauen und 90 Kinder im Frauenhaus Mönchengladbach Schutz vor Männern, die prügeln und demütigen. Gewalt in der Partnerschaft bleibt ein großes Thema. Fünf Todesopfer gab es in den vergangenen drei Jahren.
Ein Gymnasiast ersticht seine 17-jährige Freundin in Windberg mit 34 Messerstichen. Ein Mann erschießt seine Frau und seine Tochter in Rheydt auf offener Straße. In Hermges führt ein junger Mann eine Explosion herbei. Mit Fleischermessern sticht ein Mann in Eicken wie von Sinnen auf seine Lebensgefährtin ein. Vier Fälle, die zeigen, dass Trennungssituationen tödlich ausgehen können. "Unser Eindruck ist, dass Gewalt in der Beziehung eine neue Dimension angenommen hat, dass Männer heute oft vehementer reagieren", sagt Melanie Plücken-Lachmann, Leiterin des Frauenhauses in Mönchengladbach.
Angst vor dem Stigma
Seit 30 Jahren besteht der Zufluchtsort. In dieser Zeit haben dort 2452 Frauen und 2782 Kinder Schutz gesucht vor Männern, die prügeln, demütigen und beleidigen. Ein Großteil der hilfesuchenden Frauen hat es geschafft, sich ein neues gewaltfreies Leben aufzubauen.
Doch der Weg dorthin ist nicht leicht, weiß Notburga Gripekoven, Vorsitzende des Sozialdienstes katholischer Frauen (SkF), Träger des Mönchengladbacher Frauenhauses. "Sieben Jahre braucht eine Frau im Schnitt, um sich von ihrem gewalttätigen Partner zu trennen." Es gebe viele Gründe, weshalb Frauen trotz Schläge und Erniedrigungen beim Partner bleiben: die Kinder, das soziale Umfeld, die finanzielle Abhängigkeit, das drohende Stigma. Und manchmal sind es auch schlicht und ergreifend die Gefühle. "Ich habe viele Frauen hier sitzen, die mir sagen: ,Aber ich liebe meinen Mann doch noch.'", sagt Melanie Plücken-Lachmann. Doch leider seien alle Versicherungen des Mannes, sich zu ändern, häufig nach einer Reue-Phase wieder vergessen.
Die Zimmer im Frauenhaus sind ständig belegt. "Daran haben auch die gesellschaftlichen Entwicklungen in den vergangenen 30 Jahren nichts geändert", sagt die Leiterin. Frauen seien deutlich selbstständiger geworden. Auf der anderen Seite habe sich das Aggressionspotenzial bei Männern verstärkt. So kommt es, dass trotz des Gewaltschutzgesetzes, nach dem prügelnde Partner für zehn Tage der gemeinsamen Wohnung verwiesen werden können, Frauen allein aus Sicherheitsgründen ins Frauenhaus gebracht werden müssen. "Es nutzt oft nichts, wenn die Polizei den Männern den Wohnungsschlüssel wegnimmt und Platzverbot erteilt. Sie kommen wieder und treten einfach die Tür ein", sagt Melanie Plücken-Lachmann.
Utopisch nennen Notburga Gripekoven und Melanie Plücken-Lachmann die Annahme, häusliche Gewalt könne bald der Vergangenheit angehören. Wissenschaftliche Untersuchungen haben ergeben, dass Mädchen, die erleben, wie ihre Väter ihre Mütter schlagen, sich später selber auch oft einen gewaltbereiten Partner suchen. Jungen mit gleichen Erfahrungen würden dagegen häufig die Verhaltensmuster ihrer Väter übernehmen. Warum das so ist? "Wahrscheinlich wählt man instinktiv das Vertraute, auch wenn es quälend war", sagt die Skf-Vorsitzende. Deshalb sei die Arbeit mit Kindern wichtig. "Mädchen und Jungen, die Gewalt in der Familie erleben, erleiden körperliche und seelische Qualen mit Symptomen wie Angst, Schulversagen und Bettnässen. Auch wenn sie selbst nicht geschlagen werden", sagt Melanie Plücken-Lachmann.