Mönchengladbach Gericht verhandelt Milliarden-Klage

Mönchengladbach · Ende Februar beginnt vor dem Landgericht ein spektakuläres Verfahren: Der Kraftwerksbetreiber RWE Power verlangt von einem Unternehmenskonsortium 1,3 Milliarden Euro Schadenersatz nach einem tödlichen Unfall vor acht Jahren.

 Im Gladbacher Landgericht werden nun Schadenersatzklagen in Milliarden-Höhe verhandelt.

Im Gladbacher Landgericht werden nun Schadenersatzklagen in Milliarden-Höhe verhandelt.

Foto: Detlef Ilgner

Das Mönchengladbacher Landgericht ist ab Ende des Monats Schauplatz eines spektakulären Zivilverfahrens. Der Energiekonzern RWE Power und ein Unternehmenskonsortium von Hitachi und Alstom verklagen sich in drei extrem umfangreichen Verfahren gegenseitig auf Schadenersatzzahlungen in gigantischer Höhe. RWE verlangt insgesamt 1,3 Milliarden Euro Schadenersatz von dem Konsortium, die Unternehmen wiederum fordern im Gegenzug 290 Millionen Euro von RWE. Hintergrund ist der schwere Unfall beim Bau des BoA-Kraftwerks in Grevenbroich-Neurath vor mehr als acht Jahren. Drei Arbeiter waren damals beim Zusammenbruch eines Gerüsts in mehr als 100 Metern Höhe abgestürzt und ums Leben gekommen.

 Einsatzkräfte der Höhenrettungsgruppe der Feuerwehr bargen die Opfer in den Trümmern des Kesselhauses.

Einsatzkräfte der Höhenrettungsgruppe der Feuerwehr bargen die Opfer in den Trümmern des Kesselhauses.

Foto: Lothar Berns

Am 26. Februar um 9 Uhr zieht RWE Power nun gegen ein Konsortium aus Hitachi Power Europe (Duisburg), Hitachi Ltd. (Japan) und Alstom Power Systems (Mannheim) vor den Richter. Die Parteien streiten nicht nur darum, wer den Unfall zu verantworten hat, wer also in der Haftung steht. Es geht auch um die erheblichen finanziellen Folgen, die durch die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft und den damit verbundenen monatelangen Stillstand der Baustelle entstanden.

"Insgesamt handelt es sich um drei Zivilverfahren, die - weil sie dieselben Beteiligten haben - auf einen Tag terminiert sind", sagt Gerichtssprecher Jan-Philip Schreiber. Zu der klassischen Schadensersatzforderung von RWE kämen aber auch noch Strafen aus bestimmten, sehr komplexen Vertragsklauseln hinzu. Bei der Forderung des Konsortiums handelt es sich vor allem um Vergütungsansprüche.

Der elften Zivilkammer unter Vorsitz der Richterin Almut Oudijk steht ein Mammutverfahren bevor - wenn sich die streitenden Parteien nicht doch vor Gericht einigen sollten. Das ist unwahrscheinlich, da entsprechende Schiedsgerichts-Verhandlungen gescheitert sind. Wie lange dann das Verfahren dauern wird, ist nicht absehbar. Die Schriftsätze zum Verfahren sind mehrere tausend Seiten stark. Die Anlagen dazu, die die Parteien eingereicht haben, füllen Dutzende Umzugskartons. Die sind im Gladbacher Landgericht in einem eigens hergerichteten Raum untergebracht. "Das ist ein ganz außergewöhnliches Verfahren", sagt Schreiber. Das Verfahren wird deshalb in Mönchengladbach verhandelt, weil der Unfallort in Grevenbroich zum Gerichtsbezirk gehört.

RWE Power wollte keine Stellungnahme zum Verfahren abgeben. Anders Helge Schulz, Sprecher der Hitachi Power Europe, die den Großdampferzeuger für das Neurather BoA-Kraftwerk lieferte: Nachdem es keine Einigung gegeben habe, "klagen wir nun wegen der Bauverzögerung, die durch den Unfall entstand, und den daraus resultierenden Mehrkosten", sagte er auf Anfrage unserer Redaktion.

Die Staatsanwaltschaft Mönchengladbach habe im Ermittlungsverfahren zu den drei Todesfällen festgestellt, dass niemandem eine individuelle Schuld zuzuweisen sei. "Das ist für uns ein Zeichen, dass es sich bei dem Unfall um höhere Gewalt gehandelt hat", sagt Schulz. In solchen Fällen sei der Bauherr für Verzögerungen verantwortlich.

Knapp 14 Monate hatten die Ermittlungen nach der Kraftwerks-Katastrophe gedauert. Sämtliche Trümmer wurden nummeriert und auf ein separates, von der Polizei überwachtes Gelände transportiert. Um den Unfallhergang zu rekonstruieren, wurden die Stahlteile wie ein Puzzle zusammengesetzt. Zeitweise waren bis zu 25 Spezialisten der Sonderkommission "Neurath" mit der Aufklärung beschäftigt.

Die Ermittlungen, die im Dezember 2008 eingestellt wurden, verzögerten nicht nur den Bau des neuen 2200-Megawatt-Kraftwerks. Auch das mit dem Land vereinbarte Abschalten der alten 150-MW-Blöcke im Kraftwerk Frimmersdorf verspätete sich.

(RP)
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