Altkanzler in Mönchengladbach Schröder warnt Merkel und gibt der SPD Ratschläge

Mönchengladbach · Der Altkanzler spricht in Mönchengladbach über Kanzlerin Merkel, SPD-Chef Schulz und eine Kooperation mit Russland. Die fast 1000 Gäste erleben einen Gerhard Schröder in Bestform: schlagfertig, angriffslustig, humorvoll.

Gerhard Schröder in Mönchengladbach: Altkanzler im Gespräch mit Dunja Hayali
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Gerhard Schröder im Gespräch mit Dunja Hayali

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Foto: Dieter Weber

Der Sieg der SPD in seinem Heimatland Niedersachsen hat Altkanzler Gerhard Schröder nicht überrascht. Man habe gemerkt, dass die SPD-Wahlkämpfer vor einigen Wochen neuen Mut gefunden hätten, sagte er am Montagabend in Mönchengladbach. Und die Deutschen korrigierten gern nach einer Bundestagswahl bei anschließenden Landtagswahlen ihre bisherige Meinung. Davon habe die SPD in Hannover profitiert: "Die Deutschen schätzen die Balance."

Für SPD-Chef Martin Schulz hatte Schröder dagegen nur Kritik. Die schnelle Absage an die große Koalition nach der Bundestagswahl hätte man anders lösen können, sagte der 73-Jährige, der auf Einladung des Initiativkreises Mönchengladbach in der Kaiser-Friedrich-Halle war. Auf Kanzlerin Angela Merkel sieht er schwere Zeiten zukommen. Noch einen Wohlfühl-Wahlkampf wie dieses Jahr könne sich Angela Merkel nicht leisten.

"Das geht euch nichts an"

Die fast 1000 Gäste erlebten einen Schröder in Bestform: schlagfertig, angriffslustig, humorvoll. Die Reportage im "Spiegel", die Schulz zuließ und die eine gnadenlose Nahaufnahme eines verzweifelten Wahlkämpfers war, hätte er selbst nie zugelassen, sagte Schröder: "Wie man sich in einer bestimmten Stresssituation verhält, das geht euch nichts an." Wer dann noch in die Politik gehen solle bei so einer gnadenlosen Öffentlichkeit, fragte der Altkanzler.

Die SPD brauche jetzt eine programmatische Erneuerung. Gerechtigkeit sei wichtig, aber die Partei müsse zugleich wissen, dass alles, was verteilt werde, vorher erarbeitet werden muss. Oder in Schröders Worten: "Sozialdemokratie heißt gerechtes Verteilen, aber auch ökonomische Kompetenz."

"Uns darf es nicht auf nationale Vorteile ankommen"

Der Altkanzler mahnte die Parteien in Berlin zu schnellen Verhandlungen. Europa brauche stabile Verhältnisse. "Auch im Interesse unseres Landes sollten Koalitionsverhandlungen zügig abgeschlossen werden", sagte Schröder. Unabhängig davon, wo man sich politisch verorte, habe Deutschland eine große Verantwortung: "Gerade uns darf es nicht auf nationale Vorteile ankommen."

Als Dreh- und Angelpunkt der europäischen Integration sieht Schröder das deutsch-französische Verhältnis. Die Vorschläge des französischen Präsidenten Emmanuel Macron für eine Reform der EU müssten offen diskutiert werden: "In einer Union mit 28 Mitgliedstaaten braucht es eine deutsch-französische Führung." Die beiden Länder müssten miteinander umgehen, wie "Stachelschweine sich lieben", scherzte Schröder: "Nämlich ganz vorsichtig."

"Die Krim ist ur-russisch"

Schröder verteidigte sein umstrittenes Engagement beim russischen Ölkonzern Rosneft, zu dessen Aufsichtsratschef er jüngst gewählt worden war. Der Posten sei eine "große Herausforderung, die ich gerne annehme". Deutschland müsse Russland "integrieren in die Weltwirtschaft, nicht isolieren". Für Europa sei Russland der wichtigste Nachbar: "Wir brauchen die Ressourcen, den Markt. Wir haben kein Interesse daran, nicht mit Russland zusammenzuarbeiten." Dazu gehöre Realismus: "Die Krim ist ur-russisch. Sie wird von keinem russischen Präsidenten zurück an die Ukraine gehen."

Schröder forderte ein neues Assoziierungsabkommen der EU mit Russland. Nur an der Seite Russlands könne Europa in der globalisierten Welt bestehen: "Das bedeutet mehr und nicht weniger Zusammenarbeit." Er mahnte deshalb, Europa dürfe Russland und die Türkei nicht nach Asien abdriften lassen. Wenn es gelinge, Europa zu gemeinsamem Handeln zu bewegen, dann könne man in der Weltpolitik bestehen.

(se)
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