Geneicken Geneigtes Geneicken

Geneicken · Eine Dorfstraße voller Denkmäler: Die Rheydter Honschaft Geneicken bietet eine in Mönchengladbach seltene Ansammlung historischer Bauten. Die Geneickener sind ursprünglich stolze Preußen und strebten 1856 nach Unabhängigkeit von Rheydt.

Im vergangenen Jahr bekam die Franziskus-Kirche ihren Franziskus.

Im vergangenen Jahr bekam die Franziskus-Kirche ihren Franziskus.

Foto: Isabella Raupold

Wer durch die frühere Dorfstraße fährt, wird vom gemeinen Geneickener unmissverständlich zum Denken aufgefordert: "Denkmal, Denk mal!", steht auf einem Plakat an einem urigen Fachwerkhaus. Das will heißen: Bitte nicht mehr so viele Autos in Geneicken. Es macht aber auch unmissverständlich auf die in Mönchengladbach einmalige Ansammlung von uralten Gebäuden aufmerksam. Als ob das noch extra nötig wäre.

Denn in Geneicken ist beinahe jedes zweite Haus ein Fachwerkhaus, hat schon viele Generationen erlebt und steht — ein bisschen windschief — vermeintlich in den letzten Zügen. "Geneicken wurde im Krieg eben kaum getroffen", sagt Wolfgang Wolff. Der Vorsitzende des Heimatvereins Geneicken Bonnenbroich arbeitet seit acht Jahren an einer Chronik über die Honschaft. Zum 50-jährigen Bestehen des Heimatvereins 2010 soll sie fertig sein. Und sie beginnt beim ältesten Haus in Geneicken. Es steht an der Beckersstraße, ist der ehemalige Hof Beckers und macht aufrichtig den Eindruck, als müsste es schon hart darum kämpfen, sich auf den Beinen zu halten. An einer versteckten Stelle in der Wand ist das Baujahr eingetragen: 1475.

Etwa so alt ist Geneicken und ist damit eine der ältesten Honschaften Rheydts. Und fast so lange hat auch die Familie von Heiner Jacken dort zugebracht. Man nennt ihn trotz seiner erst 53 Jahre den Ureinwohner. Jedenfalls kann er sich noch daran erinnern, wie er in seiner Jugend die Kühe über die Dorfstraße zum Geneickener Bend, die Wiesen hinter der Geneickener Straße, trieb. Dort, wo jetzt 15 000 Autos täglich fahren. Dabei hat er, der Ur-Einwohner, sich jahrelang in die Fremde getraut. "Aber nach acht Jahren Schweiz hatte ich einfach Sehnsucht nach Geneicken", sagt er. "Wir wohnen zentrumnah und gleichzeitig nah am Schloss Rheydt und am Niersgrünzug."

Geneicken (der Name leitet sich wohl von "zu den Eichen" ab) stand stets im Schatten der Bewohner von Schloss Rheydt. "Das Verhältnis war nicht immer ungetrübt", sagt Wolfgang Wolff. Einmal im Jahr mussten die Geneickener die Niers für die Schlossherren ausfegen. Zudem bedienten sich die Herren gerne an der Ernte der Geneickener Bauern. 1856 sollte damit endlich Schluss sein: Die Geneickener zogen aus, um ihre Unabhängigkeit von Rheydt zu erstreiten. Die benachbarten Bonnenbroicher jedoch, die mit Geneicken zusammen einen neuen Ort bilden sollten, zogen im letzten Moment zurück. Wenn schon nicht selbstständig, dann doch wenigstens ganz obrigkeitstreu. Der geneigte Geneickener war stets Preußen zugetan, weiß Wolfgang Wolff. Davon zeugt noch heute die originale Kaiser Wilhelm-Büste, die auf dem Maarplatz im Ortskern steht.

Immerhin: Mit der Verkehrsberuhigung hat es nun vier Jahre nach Gründung der Bürgerinitiative Geneicken geklappt. In wenigen Wochen sollen die Bauarbeiten beginnen. Alle vier Jahre feiert der Heimatverein sein Maarplatzfest im Dorfkern. Und alle zwei Jahre steigt dort das so genannte Tuckelfest. "Die Entstehungsgeschichte ist ziemlich eigenartig", sagt Heiner Jacken. "Als die Geneickener Straße zur Tempo 30 Zone erklärt wurde, sagte eine alte Bäuerin: Da dürfen die Autos bloß noch tuckele heh." Man darf also spekulieren, was für ein Fest erst gefeiert wird, wenn die Geneickener Straße ganz verkehrsberuhigt ist.

(RP)
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