Mensch Gladbach Geldregen - ein Fluch und ein Segen

Meinung | Mönchengladbach · Borussia trennt sich vorzeitig von 50 Millionen Euro und macht die Stadt damit nicht nur glücklich. Aber eigentlich ist Geld ohnehin überbewertet. Freiräume sind wichtiger.

Mensch Gladbach: Geldregen - ein Fluch und ein Segen
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Wer in der Schule Latein hatte oder einfach nur gerne Asterix-Hefte liest, kennt den guten alten römischen Spruch: Geld stinkt nicht (im Original pecunia non olet). Im Klartext heißt das: Es ist immer gut, wenn Geld in die Kasse fließt - wo es herkommt, nun ja, fragen wir nicht ...

50 Millionen Euro kann Kämmerer Kuckels unerwartet in seinem Haushalt verbuchen. Die Quelle des Geldregens heißt Borussia Mönchengladbach, ist also seriös. So richtig dufte findet Kuckels das aber trotzdem nicht. Denn die Sache hat einen Haken - der Stadt entgehen nämlich fest eingeplante Zinszahlungen. Jetzt weiß jeder, der mal einen größeren Kredit aufgenommen hat, dass, sollte man die Summe früher als vereinbart ablösen wollen, saftige Gebühren fällig werden. Auf die hat die Kreditgeberin in diesem konkreten Fall nur leider verzichtet. Die Stadt macht durch die Überraschungs-Millionen also bilanziell ein Minus. Dafür ist Borussia eine lästige Summe los.

Ja, der VfL steht unter einem glücklichen Stern. Und hat seit dieser Woche auch noch den päpstlichen Segen. Den guten Draht in den Vatikan hat Rainer Bonhof. Der weltmeisterliche Vize-Präsident brachte nicht nur die Mannschaft, sondern gleich eine beeindruckende Borussia-Delegation zur Privataudienz beim Heiligen Vater in Rom. Papst Franziskus, fußballaffiner Argentinier, ermunterte die Spieler, "Athleten des Guten und des Friedens zu sein." Einen Rosenkranz gab's für jeden Einzelnen obendrauf. Dann kann ja in der Saison schon nichts mehr schief gehen ...

Zumal die klugen Rechner der Borussia wissen, wie man Geld geschickt einsetzt. Wenn nicht in gute Spieler und die vorzeitige Rückzahlung von Krediten, dann in Beton. Und so wächst neben dem Stadion, für das einst übrigens einst die - sagen wir: freundlichen - Kreditkonditionen zwischen Stadt und Verein vereinbart worden waren, ein mächtiger Neubau Etage um Etage in die Höhe. Einziehen werden ein Hotel mit 131 Zimmern, das neue Vereinsmuseum, ein großer Fanshop, Arztpraxen, ein Reha-Zentrum, Büroräume.

Überhaupt scheinen Immobilien das Lieblingsrezept zu sein, um das Paradoxon des renditelosen Geldes auf der hohen Kante zu lösen. War Mönchengladbach von dem Bau- und Kaufboom, der von Metropolen wie Köln und Düsseldorf ins Umland ausstrahlt, noch lange unbehelligt, ist auch die Vitus-Stadt inzwischen für immer mehr Investoren "the place to be", wie es in der Branche heißt. Wie bei den vorzeitig zurückgezahlten Krediten glänzt auch hier nicht alles: Denn der Zuzug von vielen Familien stellt die Stadt Mönchengladbach vor neue Herausforderungen: mehr Kita-Plätze, mehr Parkplätze, mehr bezahlbaren Wohnraum für jene, die aus manchen Vierteln den besser betuchten Neubürgern weichen. Wobei wir wieder beim Geld wären: Denn davon hat die hoch verschuldete Stadt trotz der Borussia-Rückzahlung noch immer zu wenig.

Da ist nicht nur die Gefahr groß, sämtliches Tafelsilber zu vergolden, sondern auch das Besondere, das diese Stadt ausmacht, aus dem Blick zu verlieren: Die vielen Altbauten und Fabrikgebäude, die urbanes Leben ausmachen, und die man in Städten wie Düsseldorf inzwischen auf dem Markt fast nicht mehr findet. Die Freiräume, die das Unperfekte vielen Kreativen hier noch bietet, und die eine Stadt auch attraktiv machen. Die Vielfalt, die in Mönchengladbach auf engstem Raum zu finden ist, und - trotz mancher Widrigkeiten im Alltag - das starke Miteinander prägt.

Geld stinkt nicht, Geld ist aber eben auch nicht alles.

(RP)
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