Mönchengladbach Geigerin Widmann will mit Sibelius begeistern

Mönchengladbach · Niederrheinische Sinfoniker spielen auch Schostakowitschs 10. Sinfonie: Darin rechnete der Komponist mit Stalin ab.

Ihren Bruder kennen die Theaterbesucher am Niederrhein seit fast zehn Jahren. Jörg Widmanns Musikdrama "Das Gesicht im Spiegel" hat Andreas Baesler am Gemeinschaftstheater in der Spielzeit 2004/2005 inszeniert. Nun besucht Carolin Widmann, die gefeierte Geigerin, die seit 2006 mit damals gerade mal 30 Jahren als jüngste Professorin Deutschlands an die Leipziger Musikhochschule im Fach Violine berufen wurde, die Theaterstädte.

Carolin Widmann, 1976 in München geboren, wird im 6. Sinfoniekonzert den Solopart im Violinkonzert d-Moll des Finnen Jean Sibelius spielen. "Ich freue mich riesig, gemeinsam mit Carolin Widmann dieses Konzert aufzuführen", äußert Generalmusikdirektor Mihkel Kütson Vorfreude. Er kennt die Geigerin bereits von einem Konzertabend, bei dem Carolin Widmann als Solistin in Erich Wolfgang Korngolds Violinkonzert in Flensburg mitwirkte - auch damals bereits unter Mihkel Kütsons Leitung.

Das Hauptwerk der beiden Abende (21. und 22. Mai) klingt weniger naturverbunden und frohgemut als das Sibelius-Werk. Nach der Pause steht die 10. Sinfonie des russischen Komponisten Dmitrij Schostakowitsch (1906-1975) auf dem Programm. Entstanden ist das 50 Minuten lange Opus "nach einer längeren Phase des Verstummens", weiß Kütson. Denn der Komponist hatte in der Stalin-Ära der Sowjetunion sehr unter dem Vorwurf, er komponiere "formalistisch", zu leiden. Nachdem Diktator Stalin 1936 eine Aufführung von Schostakowitschs Oper "Lady Macbeth von Mzensk" gesehen hatte, ließ er den Komponisten in der gelenkten Presse anprangern. Seither lebte Schostakowitsch in ständiger Gefahr, verhaftet, deportiert oder gar ermordet zu werden. Der Komponist entschloss sich zu überleben - und komponierte vorübergehend gefälligere, unterhaltsame Werke.

Das änderte sich mit Stalins Tod 1953. Die 10. Sinfonie op. 93 e-Moll wurde eine Abrechnung mit einer ganzen Ära. "Tiefe, ernste Trauer, Schmerz und Brutalität beherrschen klanglich 48 Minuten dieser Sinfonie", sagt Kütson, "und nur die letzten zwei Minuten öffnen sich zu lichtem Triumph." Dem Schlächter Stalin hat Schostakowitsch im zweiten Satz thematisch ein bitter-zynisches Denkmal gesetzt. Der Komponist zitiert dort ein Thema aus der Oper "Boris Godunow" von Mussorgsky, dessen fratzenhafte Aussage den wahnsinnig gewordenen Zaren Godunow schildert - und in der Umdeutung eben Josef Stalin.

Ein Werk von Modest Mussorgsky, seine gruselige Tondichtung "Die Nacht auf dem kahlen Berge", eröffnet das 6. Sinfoniekonzert.

Termine: Mittwoch, 21. Mai, Konzertsaal Theater Mönchengladbach; Donnerstag, 22. Mai, Kaiser-Friedrich-Halle; Beginn jeweils 20 Uhr. Karten: 02166 6151-100

(RP)
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