Serie Denkanstoss Gegen die Angst

Mönchengladbach · Wenn wir uns in dieser Situation von "Angst" leiten lassen, dann geht das schief, findet unsere Autorin und ruft dazu auf, "Sorge" wörtlich zu nehmen - auch um unsere Freiheit.

Seit einiger Zeit hat das Thema "Angst" Hochkonjunktur. Spätestens seit dem Terroranschlag in Berlin wissen wir - wer keine Angst hat, so scheint es, hat offensichtlich noch nicht begriffen wie gefährlich die Situation ist, in die uns irre Fanatiker gebracht haben. Die Medien überschlagen sich mit Interviews, in denen Menschen betonen, dass sie Angst haben: auf öffentliche Plätze zu gehen, mit der Bahn zu fahren, Silvester am Bahnhof zu feiern. Und dann gab es da noch den besorgten Präsidenten des Einzelhandelsverbandes im Radio: Hier konnten wir ein paar Tage vor Weihnachten seinen selbstlosen und in salbungsvollem Ton formulierten Appell hören, doch bitte unsere Weihnachtsgeschenke nun nicht etwa aus Angst im Internet zu bestellen, sondern ruhig in die Geschäfte zu gehen - kann wirklich gar nichts passieren! Nimmt man das alles ernst, kann leicht der Eindruck entstehen, dass die Mehrzahl der Bevölkerung schlotternd zuhause sitzt und Angst hat. Ob das tatsächlich so ist? Ich kann es mir nicht vorstellen. Aber wenn es lange genug öffentlich behauptet wird?

Ich will das Phänomen Angst auf keinen Fall verharmlosen oder karikieren. Und genauso offen gebe ich zu: Ich habe auch ein klammes Gefühl bei Menschenansammlungen auf Marktplätzen. Ehrlich gesagt: Ich bin stinkwütend darüber, dass die Fanatiker mich so weit gebracht haben. Aber Angst? Angst macht handlungsunfähig. Angst treibt unsere Entscheidungen ins Leere. Angst ist eine schlechte Ratgeberin. Vielleicht sollten wir ein bisschen aufpassen, dass wir "Angst" nicht mit "Sorge" verwechseln. Denn Sorgen kann man sich sehr wohl machen in dieser Situation. Nicht nur vor Terror und Gewalt, sondern auch vor den Folgen, die das in unserer Demokratie haben wird. Plötzlich sind wir ganz froh, wenn öffentliche Plätze überwacht werden. Es hört sich beruhigend an, wenn wir hören, dass der E-Mail-Verkehr von sogenannten "Gefährdern" verfolgt wird und unserer vielleicht auch - aber natürlich nur ganz prophylaktisch. Und sicher kann man es nur befürworten, wenn wir in Sachen Terrorbekämpfung international zusammen arbeiten. Da kann man nur hoffen, dass alle diese Instrumente niemals in die Hände der falschen Parteien geraten und weiterhin stur und geradeaus auf den Grundlagen unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung eingesetzt werden, auch wenn die den Einsatz dann manchmal verhindert! Wenn wir uns in dieser Situation von Angst leiten lassen, dann geht das sicher schief. Wenn wir aber "Sorge" wörtlich nehmen und für unsere Freiheit "Sorge" tragen, dann sieht das schon ganz anders aus. Ich will mich nicht von Angst leiten lassen!

DIE AUTORIN IST LEITERIN DER PHILIPPUS-AKADEMIE DES EVANGELISCHEN KIRCHENKREISES.

(RP)
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