Mönchengladbach Geburtshelfer aus Neuwerk in China

Mönchengladbach · Der Gladbacher Gynäkologe Dr. Rudolf Merkelbag hat drei Wochen lang chinesische Kollegen unterstützt und geschult.

 Der Konfuzius-Tempel in der Millionenstadt Linyi

Der Konfuzius-Tempel in der Millionenstadt Linyi

Foto: KN

Die schiere Anzahl von Geburten hat Dr. Rudolf Merkelbag schon beeindruckt. 20 000 Kinder werden jedes Jahr in der Klinik der chinesischen Zehn-Millionen-Stadt Linyi geboren, wo der Mönchengladbacher Arzt drei Wochen lang als Experte zu Gast war. "Das sind so viele Geburten, wie ich zeit meines Lebens erlebt habe", sagt Merkelbag. Als Oberarzt ist er am Krankenhaus Neuwerk in der Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe tätig. Während seines Aufenthaltes in Linyi hat er chinesische Ärzte geschult und ihre Methoden beobachtet. Sein Fazit: "Sie haben eigentlich die gleichen Probleme wie wir, und auch das medizinische Niveau ist durchaus vergleichbar."

Merkelbag wurde vom Senior Expert Service nach China geschickt, einem Dienst, der eigentlich Experten im Ruhestand ehrenamtliche Aufgaben im Ausland vermittelt. Im Ruhestand ist Merkelbag zwar noch nicht, aber er plant, im Rentenalter als medizinischer Entwicklungshelfer aktiv zu werden. China war der erste Einsatz, zum Angewöhnen sozusagen. Ihm wurde ein Dolmetscher zur Seite gestellt, dann führte er Fortbildungsveranstaltungen durch und begleitete seine chinesischen Kollegen in den Kreißsaal.

Auffällig ist für den deutschen Experten die hohe Zahl von Kaiserschnitten - ein gesamtchinesisches Phänomen. 40 Prozent der Babys in China kommen per Kaiserschnitt zur Welt. In Deutschland sind es etwa 33 Prozent. "Das Wissen um den Geburtsvorgang ist verloren gegangen, es herrscht viel Angst, und da scheint ein Kaiserschnitt, weil beherrschbar, eine gute Lösung zu sein", erklärt Dr. Merkelbag die Entwicklung.

Ein weiterer Unterschied zwischen Deutschland und China: In China werden Kinder praktisch ausschließlich im Bett zur Welt gebracht. "Alle liegen", sagt der deutsche Arzt. Andere Gebärpositionen, wie sie in Deutschland angewendet werden, sind in China nicht üblich. Merkelbag empfiehlt seinen Kollegen den Gebärhocker, der eine aufrechte Position erlaubt. "Das ist schon spannend", sagt der Geburtshelfer. "Der Gebärhocker stammt eigentlich aus Papua und gelangt nun über Deutschland nach China."

Einen deutlichen Unterschied bemerkte Merkelbag in der Haltung zur Privatsphäre. "Die gab es in dieser Klinik praktisch nicht", sagt er. Das liege daran, dass sehr viele Gebärende gleichzeitig im Kreißsaal seien. Ein medizinisches Problem, mit dem sowohl deutsche als auch chinesische Ärzte zu kämpfen haben, ist das zunehmende Übergewicht der Schwangeren und die dadurch ausgelösten Krankheiten wie Schwangerschaftsdiabetes. Tendenziell sei das bei den Chinesinnen sogar noch etwas stärker ausgeprägt als bei den Deutschen. "Sicherlich eine Zivilisationskrankheit", so der Arzt.

Aufgrund des durchaus gleichwertigen Niveaus der chinesischen Medizin ist ein Folgebesuch von Dr. Merkelbag in China vorerst nicht geplant. Weitere Auslandseinsätze während seines Urlaubs oder auch später im Ruhestand kann er sich aber gut vorstellen.

(arie)
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