„Fridays for Future“-Organisatorin in Mönchengladbach „Wer nur schwänzen will, setzt sich ins Café“

Mönchengladbach · Christina Schliesky, Organisatorin der „Fridays for Future“-Demonstrationen in Rheydt, und ihre Mutter Marga sprechen im Interview über Beurlaubungen, Entschuldigungen und Schule schwänzen, Plastik-Frei-Tage und Fragen an Ministerpräsident Armin Laschet.

 Marga Schliesky denkt mehr darüber nach, was sie gegen den Klimawandel tun kann, seit ihre Tochter Christina sich bei Fridays For Future engagiert.

Marga Schliesky denkt mehr darüber nach, was sie gegen den Klimawandel tun kann, seit ihre Tochter Christina sich bei Fridays For Future engagiert.

Foto: Bauch, Jana (jaba)

Christina, du bist 14 Jahre alt und gehörst zu den Organisatoren der „Fridays for Future“-Demos in Rheydt. Wann standest du das erste Mal auf dem Rheydter Marktplatz, um für mehr Klimaschutz zu demonstrieren?

Christina Das war am 18. Januar. Da waren noch zwischen fünf und zehn andere Schüler dabei. Am 1. Februar war ich die einzige Schülerin, die dort demonstrierte.

Was war das für ein Gefühl?

Christina Das ist schwer zu beschreiben. Es war aufregend. Ich habe vorher noch nie so ganz allein in der Öffentlichkeit gestanden.

Hast du vorher mit deiner Mutter gesprochen? Frau Schliesky, wie haben Sie reagiert?

Christina Ja, ich habe Anfang Januar zu meiner Mutter gesagt, dass ich nicht mehr nur zuschauen kann, sondern etwas tun will. Egal, was sie dazu meint.
Marga Schliesky Ich habe mich dann mit dem Thema befasst und was ich gelesen habe, fand ich gut. Ich habe ihr aber geraten, zuerst mit ihren Lehrern zu sprechen.

Was haben deine Lehrer gesagt?

Christina Mein Klassenlehrer hat mich für das erste Mal beurlaubt, aber das geht natürlich nicht immer. Ich habe auch mit der Schulleitung gesprochen. Eine weitere Beurlaubung für die Teilnahme an den Klima-Demos ist nicht erlaubt, aber ich kann das Thema Umweltschutz im Rahmen der Projektwoche noch mal aufgreifen.

Und jetzt schwänzt du am Freitag? Oder schreiben Sie ihr Entschuldigungen?

Christina Während der Zeit der Demos schwänze ich, aber ich gehe vorher und hinterher zum Unterricht. Und einmal, als ich das Gefühl hatte, den Anschluss zu verpassen, habe ich die Notbremse gezogen, die Demo sausen lassen und bin lieber zu Mathe gegangen.
Marga  Schliesky Ich würde ihr Entschuldigungen schreiben, habe es aber noch nicht getan. Für mich ist wichtig, dass sie den Stoff nachholt, notfalls auch mit privatem Nachhilfeunterricht. Bisher war das aber noch nicht nötig. Sie ist eine gute Schülerin.

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Wie reagieren die anderen Schüler in deiner Klasse? Kommen sie mit?

Christina Ja, es ist auch schon mal jemand mitgekommen, aber viele haben Angst davor zu schwänzen.

Welche Reaktionen erlebst du während der Demo? Positive oder negative?

Christina Die Reaktionen sind überwiegend positiv. Es gab mal jemanden, der über E-Autos diskutieren wollte und dann plötzlich die Diskussion wütend abbrach. Aber das ist eher selten.

Wie bist du dazu gekommen, dich mit dem Thema Klimawandel auseinanderzusetzen?

Christina Den Anstoß hat eigentlich mein älterer Bruder gegeben. Er hat gesagt, er könne nicht mehr in den Spiegel sehen, wenn er nichts für den Hambacher Forst tue. Da habe ich angefangen, mich über den Hambacher Forst und die Braunkohle zu informieren. Außerdem habe ich in den Nachrichten viel von Tsunamis und Überschwemmungen gehört und dann auch noch von Gretas Protest. Auch die Dürre im letzten Sommer stand mir vor Augen. Das alles zusammen hat mich dazu gebracht, etwas tun zu wollen. Mir ist klar geworden, dass die jetzige Generation der Politiker, die den Karren in den Dreck gefahren hat, ihn nicht wieder herausholen wird.

Du bist auch bei der Organisation der Demos dabei.

Christina Ja, damit ist eine ganze Menge Arbeit verbunden. Ich melde die Demos zum Beispiel bei der Polizei an. Beim ersten Mal war meine Mutter dabei, weil wir nicht wussten, ob ich das mit 14 Jahren schon darf, aber es geht.

Was antwortest du denen, die sagen, es ginge einigen gar nicht ums Klima, sondern nur ums Schule schwänzen?

Christina Wer nur die Schule schwänzen will, kann sich gemütlich ins Café setzen. Da muss man nicht in Regen und Kälte draußen stehen. Und in Zukunft wird es alle zwei Wochen Demos am Nachmittag geben, damit nicht so viel Unterricht ausfällt.

Und was sagen Sie zu dem Vorwurf, Eltern würden ihre Kinder instrumentalisieren?

Marga Schliesky Ich würde gern denjenigen kennenlernen, der es schafft, 30.000 Kinder zu instrumentalisieren. Diese Generation hat ihr Thema gefunden. Bei uns war es die Anti-Atom-Bewegung, jetzt ist es der Klimawandel.

Wie viele Schüler nehmen an den Demonstrationen in Rheydt teil?

Christina Vor zwei Wochen waren es ungefähr 50, letzte Woche waren es 400.

Was sagst du zu Christian Lindners Aufforderung an die Schüler, die Beschäftigung mit diesen Problemen den Profis zu überlassen?

Christina Die Profis sind die Wissenschaftler. Und deren Warnungen wurden lange einfach ignoriert.

Wird bei dir zu Hause über Politik diskutiert?

Christina Ja, wir sprechen darüber und sind auch nicht immer einer Meinung.
Marga Schliesky Stimmt. Zum Beispiel beim Konsumverzicht ist Christina radikaler. Aber ihre Denkweise färbt auf mich ab. Und ich fange auch an, Dinge, die ich für selbstverständlich hielt, zu überdenken. Sie hat einen Plastik-Frei-Tag eingeführt, also einen Tag ohne Plastik und ich achte auch stärker darauf beispielsweise das Gemüse ohne Plastiktütchen mitzunehmen.

Wie sieht dein Plastik-Frei-Tag sonst aus?

Christina Ich nehme zum Beispiel das Brot von zu Hause mit oder auch selbst gekochten Schokoladenpudding. Man merkt erst, wie viel in Plastik verpackt ist, wenn man versucht, darauf zu verzichten. Ich wollte mir im Supermarkt etwas zum Mittagessen kaufen und bin schließlich mit einem Apfel rausgegangen. Die Alternative wäre eine unreife Banane gewesen, alles andere war in Plastik verpackt.

Hast du sonst noch etwas an deinem Verhalten geändert?

Christina Ich versuche zu Fuß zu gehen oder öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen.
Marga Schliesky Bei uns in Odenkirchen ist es aber auch schwierig, mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu fahren. Christina fährt oft mit dem Fahrrad bis zur Hauptstraße, um von dort aus den Bus zu nehmen.

Was würdest du Politiker in Mönchengladbach gern fragen?

Christina Ich wüsste gern, warum große, gesunde Bäume im Zentrum von Odenkirchen gefällt und durch kleine Bäume ersetzt wurden. Ich fand den Platz vorher sehr schön und jetzt ist er kahl.

Mit welchem Politiker würdest du sonst gern sprechen?

Christina Mit Armin Laschet. Ich habe Fragen zur Braunkohle und warum man auf eine so veraltete Form der Energiegewinnung setzt.

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