Mönchengladbach Frauen-Power im libanesischen Krieg

Mönchengladbach · Schauspieldirektor Matthias Gehrt inszeniert das arabisch-kanadische Schauspiel "Verbrennungen" von Wajdi Mouawad (45) nun auch am Theater Mönchengladbach. In Krefeld fand das Stück zuvor großes Publikums-Interesse.

 Esther Keil als Mutter Nawal in einer Szene aus dem Schauspiel "Verbrennungen". Im Hintergrund hocken ihre Kinder Simon (Cornelius Gebert) und Jeanne (Henrike Hahn).

Esther Keil als Mutter Nawal in einer Szene aus dem Schauspiel "Verbrennungen". Im Hintergrund hocken ihre Kinder Simon (Cornelius Gebert) und Jeanne (Henrike Hahn).

Foto: Matthias Stutte

Ein Stück, hochspannend, streckenweise erzählend wie ein Film, eine Familiengeschichte mit psychologischem Tiefgang - das ist das 2003 im kanadischen Montréal uraufgeführte Schauspiel "Verbrennungen" (Incendies). Geschrieben hat es der 1968 im Libanon geborene Schriftsteller, Schauspieler und Regisseur Wajdi Mouawad. Als er acht Jahre war, flüchtete seine Familie 1976 mit ihm aus dem libanesischen Bürgerkrieg, ging nach Paris, später nach Kanada. Heute hat der aus einer Familie maronitischer Christen stammende Mouawad die kanadische Staatsangehörigkeit.

Doch seine arabischen Wurzeln lassen Mouawad nicht los. Denn davon handelt "Verbrennungen", das seit 2006 in Deutschland rund 60-mal inszeniert worden ist: Die Zwillinge Jeanne und Simon hat das Testament ihrer verstorbenen Mutter Nawal kalt erwischt. Bevor es ans Erben geht, sollen sie zwei Bedingungen erfüllen. Jeanne soll einen Brief an ihren totgeglaubten Vater überbringen, und Simon muss ein weiteres Schreiben seinem Bruder aushändigen. Konsterniert sind die Geschwister, weil die Mutter ihnen immer erzählte, ihr Vater sei im Bürgerkrieg im Libanon ums Leben gekommen. Und von einem weiteren Bruder wussten sie bislang schon gar nichts.

"Die Kinder müssen das Rätsel einer Familientragödie auflösen", sagte Regisseur Gehrt jüngst bei der Matinee zur Produktion im Theatercafé. "Es ist ein Krimi, sehr wirkungsvoll und mit viel Suspense", urteilt der Schauspieldirektor. Ein Gutteil seiner Spannung erwächst dem Stück aus der divergenten Natur der Zwillinge. Simon ist Laienboxer mit kaum gezügelten Aggressionen, der zu Wutausbrüchen neigt. Dem von der toten Mutter ihm nun auferlegten Kampf möchte der Boxer lieber ausweichen. Jeanne demgegenüber ist viel bedächtiger, nachdenklich, nüchterner im Denken, sie ist von Beruf Mathematik-Dozentin. Jeanne wird zum Motor der Handlung. "Es ist ein Frauen-Power-Stück", meint der Regisseur und fügt an: "Eines der besten zeitgenössischen Stücke, die ich zu lesen bekam."

Das Stück lebt von häufigen Ortswechseln und Zeitsprüngen. Diese werden auf Gabriele Trinczeks Bühne jeweils mit Jahreszahlen auf einer Betonwand festgehalten. "Das tun die Schauspieler, die allesamt die ganze Zeit über auf der Bühne sind, selbst", erzählt Trinczek.

Angesichts der Vorgänge in der Ukraine erweisen sich die Schilderungen von Details des libanesischen Bürgerkriegs, insbesondere die Erinnerung an das Massaker in zwei Palästinenserlagern im Süden Beiruts 1982, als hochaktuell. "Es ist ein Themenstück und es ist erschreckend aktuell", urteilt Gehrt.

Neun Schauspieler spielen etwa 20 Rollen. Heraus ragen Esther Keil (Mutter Nawal), Henrike Hahn (Jeanne), Cornelius Gebert (Simon) und Helen Wendt (Sawda).

Premiere ist am 9. Mai, 20 Uhr.

(RP)
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