Frauen in Mönchengladbach Schauspieler müssen Lust auf Sprache haben

Mönchengladbach · Esther Keil ist seit 20 Jahren Mitglied des Theaters Krefeld/Mönchengladbach. Angefangen hat sie mal als gelernte Schneiderin. Mit uns sprach die Schauspielerin über ihren Beruf, den neuen Alltag und die #MeToo-Bewegung.

 Esther Keil in der Inszenierung „Schwester“ im Jahr 2017.

Esther Keil in der Inszenierung „Schwester“ im Jahr 2017.

Foto: Matthias Stutte

Wie geht Esther Keil mit ihrer freien Zeit um, wie sieht ihr Alltag aus? Keil lacht und sagt: „Ich brauchte eine Woche, um das Ganze überhaupt erst einmal auf mich wirken zu lassen. Seitdem verbringe ich viel Zeit mit meinem 14-jährigen Sohn und meinem Freund in unserem Garten.“ ich lese Bücher.“ Sie kocht viel und backt. Letzteres zu ihrem Leidwesen: „Es setzt halt an.“ Abends legen sie gemeinsam Puzzles und hören dazu Karl Valentin. „Wir haben einen Garten, und ich bin nicht allein. Das ist eine exklusive Lebenslage.“

Sie ist als festes Ensemble-Mitglied des Theaters Krefeld und Mönchengladbach auch in einer privilegierten Arbeitssituation. Das geht befreundeten Kollegen, die kein festes Engagement haben, ganz anders: „Die Entwicklungen in dieser Krise bedrücken mich schon sehr.“

Keil ist über Umwege zu ihrem Beruf gekommen, den sie als Berufung bezeichnet. Nach dem Abitur absolvierte sie eine Ausbildung zur Schneiderin: „Das war nichts für mich.“ In einem Münchner Wald-und-Wiesen-Kneipenchor, wie sie ihn nennt, sang sie in ihrer Freizeit. Jemand aus dem Publikum wurde auf sie aufmerksam, fragte sie, ob sie im Rahmen des freien Projekts „Theaterlabor“ singen wolle: „Das war mein Ding. Als ich auf der Bühne stand, dachte ich, dass es mir ein Leben lang leidtun würde, wenn ich das nicht weiter ausbaue. Also bewarb ich mich an unterschiedlichen Schauspielschulen, in Wien wurde ich schließlich angenommen.“ Um Schauspielerin zu werden, müsse man Lust auf Literatur und Sprachen haben, sagt sie, „und die Lust, sich auf etwas einzulassen, neugierig gegenüber Bühnenfiguren zu sein. Auch ein gewisses Selbstbewusstsein sollte man mitbringen.“

Keil liebt die Zusammenarbeit mit den Kollegen am Theater: „Unser Ensemble ist vom Alter her ganz durchmischt und damit so bunt wie das Leben selbst. Und unser Beruf stellt ja das Leben dar!“ Den Schauspielernachwuchs ziehe es oftmals zum Film: „Vielleicht ist ein Grund, mit dem Film eine größere Reichweite zu haben. Manche glauben auch, mit Kameras schneller, aktueller und näher dran am Publikum zu sein. Für mich gab es nie etwas anderes als das Theater.“

Unter dem Hashtag #MeToo berichten seit 2017 Frauen in sozialen Netzwerken weltweit von sexuellen Übergriffen namhafter Schauspieler, Politiker, Journalisten und anderer Männer. Der bekannteste Fall dürfte der US-Filmproduzent Harvey Weinstein sein. Keil bezieht in der Debatte eine klare Position: „Ich selbst habe verbale oder gar sexuelle Übergriffe und Belästigungen nie erlebt, weiß aber von Vorkommnissen an anderen Häusern. Frauen wurden erniedrigt und begrapscht. Das sei jetzt vorbei, die Bewegung habe viel angestoßen. Ich bin froh und traurig zugleich, dass es #MeToo überhaupt geben muss und appelliere an die jungen Kolleginnen, weiterhin nicht locker zu lassen.“

Keil hat unzählige Rollen gespielt, darunter Sally Bowles in „Cabaret“ als ihre erste große Gesangsrolle. Die Winnie in „Glückliche Tage“ könnte sie auch noch in ein paar Jahren wieder spielen, „mit Samuel Beckett ist man noch lange nicht fertig.“ Als Cookie in „Everything Beautiful“ spielte Keil eine Kosmetikverkäuferin, die Klinken putzt. „Cookie ist eine, die nie aufgibt. Sie vereint viele gesellschaftskritische Themen in einer Figur“, sagt Keil, die es liebt, komplexe Frauenfiguren zu spielen. In dem Beziehungsdrama ‚Szenen einer Ehe‘ von Ingmar Bergman spielte sie die Marianne.

Nachdenklich wird sie bei Fragen zur Zukunft: „Ich wünsche mir, dass die Leute irgendwann wieder sicher ins Theater strömen können. Gut wäre es darüber hinaus, wenn verstärkt in lokalen kleinen Läden eingekauft wird, um diese zu unterstützen. So bleibt die Vielfalt in unseren Städten erhalten.“

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