Mönchengladbach Frau Kinkartz fährt und fährt und . . .

Mönchengladbach · Sollten Senioren einen Führerschein-Test machen? Wir haben eine Frau gefragt, die genau das betreffen würde: Sigrid Kinkartz ist 91 Jahre alt und hat die Fahrerlaubnis seit über 50 Jahren. Sie sagt "Ja" zu Tests - dann aber für alle.

 Sigrid Kinkartz in ihrem Opel Astra.

Sigrid Kinkartz in ihrem Opel Astra.

Foto: Isabella Raupold

Die eine oder andere Frage muss man schon mal wiederholen, ansonsten merkt man Sigrid Kinkartz ihr Alter nicht an. Die kleine Frau, die mit ihren wachen Augen hinter der großen runden Brille hervorschaut, ist mittlerweile 91 Jahre alt - und fährt immer noch Auto. Einen Opel Astra, den hat sie seit 1998, mit Automatik. "Mit Schaltgetriebe fahre ich nicht gerne", sagt sie. In ihrem Bekanntenkreis fahre keiner mehr selbst. Bis auf Frau Kinkartz eben. "Ich bin auch noch ganz gut zu Fuß. Kleinere Einkäufe kann ich also auch so erledigen", sagt sie. Einmal in der Woche aber geht es mit dem Pkw zum Einkauf, wenn schwere Dinge geschleppt werden müssen, oder auch einmal zum Arzt. "Sonst müsste ich mir ein Taxi rufen oder Bus fahren", sagt sie.

Aber ist das noch verantwortungsvoll? Mit 91 Jahren hinter dem Lenkrad zu sitzen? Erst in der vergangenen Woche verursachte ein 85-Jähriger an der Neusser Straße einen Verkehrsunfall, der für eine Fahrrad-Postbotin tödlich endete. Bei der Polizei gibt zwar keine statistischen Daten, nach denen Senioren besonders häufig Unfälle verursachen. Aber: Wenn Senioren in einen Unfall verwickelt sind, dann sind sie auch zu 75 Prozent schuld daran gewesen. Andere Länder haben schon reagiert: In Großbritannien müssen über 70-Jährige alle drei Jahre ihren Führerschein verlängern lassen, in der Schweiz müssen sie alle zwei Jahre zur ärztlichen Untersuchung. Fest steht, dass die Zahl der Senioren hinter dem Steuer wegen des demografischen Wandels wachsen wird. Und zwar deutlich.

Seit 1965 hat Sigrid Kinkartz ihren Führerschein, früher fuhr sie mit dem Auto auch mehrere Hundert Kilometer in den Urlaub. Heute sind es vor allem Strecken, die sie kennt. "Wo ich mich nicht auskenne, fahre ich nicht mehr so gerne", sagt sie. "Vor allem, wenn es dunkel ist." Zu sagen, dass in den mehr als 50 Jahren nicht auch mal etwas passiert ist, wäre scheinheilig. Im vergangenen Jahr gab es einen Unfall mit Blechschaden. "Jeder macht Fehler", sagt Kinkartz.

Dass sie noch dazu in der Lage ist, sich sicher im Verkehr zu bewegen, hat sie sich mit einem Fahrtest bescheinigen lassen - es ist der dritte der Art. "Meine Bekannten haben mich gefragt, warum ich überhaupt daran teilgenommen habe", sagt sie. "Aber ich wollte wissen, wie es aussieht." Also fuhr sie mit dem Fahrlehrer vom ADAC durch Rheydt. "Obwohl ich mich da eigentlich nicht so gut auskenne." Den Schein hat sie gut aufbewahrt. Der Fahr-Fitness-Check des Automobilclubs ist praktisch eine reduzierte Medizinisch-Psychologische Untersuchung (MPU), im Volksmund auch Idiotentest genannt. Der Check ist freiwillig, eine Meldung bei den Behörden ausgeschlossen.

Ob sie den Test auch anderen Senioren empfehlen würde? "Selbstverständlich", sagt Kinkartz. Aber nicht nur: "Eigentlich sollte auch die jungen Autofahrer alle paar Jahre so einen Test machen", sagt sie. Schließlich handele es sich dabei ja um die Gruppe, die eben überproportional an Unfälle vertreten sei. Was sie gemacht hätte, wenn es Probleme bei dem Test gegeben hätte? Wenn der Fahrlehrer nicht zufrieden gewesen sei? "Dann würde ich sofort aufhören, zu fahren", sagt sie.

(lukra)
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