Mönchengladbach Fleisch-Kult made in Güdderath

Mönchengladbach · Die Geschichte, wie aus der kleinen Rheydter Metzgerei Schulte + Sohn ein Pionier des Online-Lebensmittelhandels wurde, ist ein Lehrstück über Marketing. Und es ist die Geschichte der Stärke des hiesigen Mittelstandes.

 Die Verpackung ist wichtig - sie soll zeigen, wie wertig die Produkte von "Gourmetfleisch" sind.

Die Verpackung ist wichtig - sie soll zeigen, wie wertig die Produkte von "Gourmetfleisch" sind.

Foto: Ilgner Detlef (ilg)

Warum geben Menschen Unsummen für Kaffee aus, nur weil er in Kapseln gepresst wurde? Und warum leisten sich Menschen Steaks, von denen ein Kilo so teuer ist wie ein Fernseher? Die Antwort ist in beiden Fällen dieselbe und zweigeteilt: Weil die Ware tatsächlich sehr gut ist. Und weil es jemand geschafft hat, den Kunden zu vermitteln, dass ein wahrer Genießer ohne Kaffeekapseln oder Gourmetfleisch ein deutlich sinnloseres Leben führt. Burkhard Schulte ist so einer. Und was für einer! Er hat aus der ganz normalen Metzgerei seiner Eltern am Marienplatz ein mittelständisches Unternehmen mit 120 Angestellten gemacht, das deutschlandweit für Aufsehen sorgt. Denn Schulte widerlegt mit Wonne den Branchen-Glaubenssatz, dass man online alles verkaufen kann außer Lebensmitteln. Sein Label Gourmetfleisch versendet ein Kilo American Filet Medaillon für 198 Euro pro Kilo. Zum Beispiel nach München, Hamburg und Berlin. Dort leben die meisten Gourmetfleisch-Kunden. Und schreiben nach Verzehr auf der Internetseite in der Kommentarfunktion zum Beispiel zum Filet Medaillon: "Man hätte zum Schneiden auch ein Buttermesser nehmen können! Allerfeinste Qualität."

Gelernt ist gelernt. Und zwar Marketing. Als Burkhard Schulte sein BWL-Studium abgeschlossen hatte, war eines für ihn klar: In der Metzgerei seiner Eltern würde er auf keinen Fall arbeiten. Nach einem Jahr in der Marketing-Abteilung bei Kaisers überlegte er es sich anders. Am ersten Tag als Metzger fuhr er zu Ikea, weil er für seine Wohnung Möbel suchte. In der Kantine fragte er den Küchenchef, ob er nicht Fleisch brauche. Der hatte sich genau an dem Tag mit seinem Lieferanten zerstritten. So fuhr Schulte mit einem Auftrag über 300 Kilo Schweinenacken vom Möbel-Kauf heim. Aus der einen Filiale wurden bald alle Ikea-Filialen. Dann noch die LTU. Schließlich die Handelskette Metro. 1994 war aus einer Metzgerei unter vielen eine besonders erfolgreiche geworden. Schulte baute in Güdderath neu. Seither sitzen Schulte + Sohn dort. Der Geschäftsführer hofft, bald die Genehmigung für eine Erweiterung zu bekommen. Dass er mehr Platz braucht, hängt auch mit dem jüngsten Zweig des Unternehmens zusammen.

 Geschäftsführer Burkhard Schulte hat den elterlichen Betrieb übernommen. An seinem Schreibtisch ist schon manche Marketing-Idee entstanden.

Geschäftsführer Burkhard Schulte hat den elterlichen Betrieb übernommen. An seinem Schreibtisch ist schon manche Marketing-Idee entstanden.

Foto: Ilgner Detlef (ilg)

"Gourmetfleisch" ist ein Online-Versand von Fleisch allerhöchster Qualität. Die ist für Schultes Geschäftsmodell entscheidend. "Wir werden nie die Großfabrik sein, sondern eher der Nischenanbieter. Wir sind die für die karierten Maiglöckchen." Oder genau genommen die für aufwendige Styroporpakete mit Bison, Charolais und Simmentaler. Der Versand ist der Knackpunkt beim Thema Frischfleisch. Ist die Kühlkette nahtlos? Übersteht das Fleisch den Weg ohne Verlust an Qualität? Schule sagt selbstbewusst: "Wer einmal bei uns bestellt hat, den haben wir. Der bestellt immer wieder." Die Zahlen geben ihm recht.

Wertig sehen die Pakete aus. Die Texte, mit denen die Produkte angepriesen werden, wecken bewusst Premium-Assoziationen. In der Metzgerei früher musste Rindfleisch abhängen. Heute muss es reifen - wie ein edler Rotwein. Dass Grillen längst Teil des Lifestyles ist, hilft Schulte + Sohn. "So einen Grillabend bereiten die Leute heute liebevoll und oft stundenlang vor. Wenn das Fleisch nix ist, war das alles für den Teufel", sagt Schulte. Damit seine Kunden das Gourmetfleisch richtig zubereitet auf die Teller bringen, kommen in die Pakete Anleitungen. Zu den acht Schritten zum perfekten Rindersteak gehören die Tipps: Vor dem Braten aus dem Kühlschrank nehmen, kein Olivenöl verwenden, keine Teflonpfanne nehmen und vor dem Servieren zwei Minuten ruhen lassen.

Wie sieht mein Markt aus? Wie wird er in fünf Jahren aussehen? Und was sind meine Antworten darauf? Es sind die ganz klassischen Fragen eines Unternehmers, die Schulte immer wieder neu zu beantworten versucht. Eine Fleischpraline zusammen mit der Konditorei Heinemann - ein Bruder im Geiste - hat er verworfen, dafür gerade einen Himbeerketchup ins Programm genommen. Rohes Fleisch zu zeigen, war noch vor wenigen Jahren ein Werbe-Tabu - Schulte hat es in seinen Katalogen als erster gebrochen. Weil es die Kluft zum klassischen Fleischkauf schließt. "Da schaue ich ja auch erst in die Theke." Er stellt seine Lieferanten in den Publikationen ausführlich vor. Am liebsten hätte er, dass jeder Besteller sein Stück Fleisch bis zur Weide zurückverfolgen kann. "Das wird kommen", sagt Schulte, und man ahnt, dass er auch bei dem Thema vorneweg sein wird. Die Zentrale von Schulte + Sohn mit starken Farben und Pop-Art an den Wänden sieht mehr wie eine Werbeagentur denn wie eine Fleischerei aus. Auch das passt ins Bild.

(RP)
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