Konzert am 20. und 21. April in Mönchengladbach Fast-Generalprobe beim "Groove-Chor"

Mönchengladbach · Die heiße Vorbereitungsphase vor wichtigen Konzerten liefert die besten Einblicke ins Innenleben eines Chores – mit all seinen Höhen und Tiefen. Wir waren bei den Proben des sechsstimmigen Mönchengladbacher "Groove-Chors" dabei.

 Der Groove Chor sorgt am 20. April im Roten Krokodil im Wickrather Kunstwerk für Stimmung.

Der Groove Chor sorgt am 20. April im Roten Krokodil im Wickrather Kunstwerk für Stimmung.

Foto: Ilgner

Die heiße Vorbereitungsphase vor wichtigen Konzerten liefert die besten Einblicke ins Innenleben eines Chores — mit all seinen Höhen und Tiefen. Wir waren bei den Proben des sechsstimmigen Mönchengladbacher "Groove-Chors" dabei.

Um 21.20 Uhr schüttelt Monika Hintsches, Leiterin des Groove-Chores, während der Probe erstmals energisch mit dem Kopf. "Stop! Stop! Stop!", ruft sie. In den Reihen ihres Groove-Chors herrscht "Wir-haben-Mist-gebaut"-Stille. "Habt ihr das noch nicht verstanden? Meine Güte . . .", sagt Hintsches. Der 60-köpfige Mönchengladbacher Chor hat Fast-Generalprobe für seine beiden größten Auftritte (siehe Infobox). In der ersten Stunde war alles prima. Doch nun macht die Tote-Hosen-Hymne "Tage wie diese" Sorgen. Impressionen aus dem Innenleben eines Chores.

20 Uhr Die Chormitglieder kommen an. Allererste Übung: Schon einmal den Geräuschpegel eines ausverkauften Saals nachstellen. Und das geht so: Alle erzählen sich heiter von ihren jüngsten Erlebnissen — ein bisschen wie in der Schulpause. Übrigens: Später werden die Sänger frei nach einem berühmten Lied von Michael Jackson singend zugeben, dass sie Kinder sind.

20.04 Uhr Geräuschpegel-Probe geglückt.

20.05 Uhr Warmsingen. Die meisten dabei fabrizierten Töne kann man leider nicht schreiben, ein paar gingen so: "hiiii", "aaaah", "brrrb".

20.10 Uhr Gymnastik, unter anderem mit Übung fürs Ego: sich selbst auf die Schultern klopfen.

20.15 Uhr "Pssst", "pssst", "pfff". Dann ist Schluss mit Warmsingen — und der Raum ist zu diesem Zeitpunkt bereits fünf Grad wärmer. Problem: War eigentlich schon vorher warm genug.

20.18 Uhr Das erste Lied ist "Happy Birthday" — bei so vielen Mitgliedern hat immer jemand Geburtstag (gehabt).

20.20 Uhr Jetzt geht's los. "Higher And Higher" — sechsstimmig: Sopran, Mezzo, Alt 1, Alt 2, Tenor, Bariton. Dann kommt "We Are The World": Toll zu beobachten, wie jeder Solist kurz vor seinem Einsatz ein paar Zentimeter kleiner ist als sonst und dann aber kontinuierlich wächst — bis über sich hinaus.

20.40 Uhr Pause. Die einen singen zigmal eine bestimmte "We are the world"-Passage, andere blättern in einem Fotobuch, das die Geschichte eines sehr kleinen Mannes namens Paul illustriert. Die Männerrunde prüft derweil ihre (Weit-)Sehfähigkeit. Die Sänger überbieten sich darin, ihre Noten von sich wegzuhalten. Es herrscht Einigkeit: Lieber alles auswendig lernen, bevor die Arme eines Tages zu kurz werden.

20.45 Uhr Pianist Janek Wilholt ist eingetroffen. Es soll weitergehen.

20.48 Uhr Nix passiert. Das Leben einer Chorleiterin ist manchmal nicht so einfach. Der Chor versteht sich so gut, dass Monika Hintsches manchmal viel Geduld braucht.

20.50 Uhr Jetzt aber. "Dreamer" — beziehungsweise "Dreeeeaamer". Schlechte Nachrichten für die Sehnenscheiden von Janek: Die Finger des Pianisten ersetzen mit kräftigen Anschlägen die Klänge einer Trommel. Hintsches nutzt diese Passage, um fröhlich auf einem Bein zu wippen. Warum, verrät sie nicht.

21.05 Uhr Die Einsätze stimmen, Hintsches ist richtig zufrieden, der Chor feiert sich. Die Herren, die sich vorher noch über ihre Weitsicht beklagt haben, klatschen ein, zwinkern sich zu. Tolle Vorstellung.

21.20 Uhr Der Tiefpunkt des Abends: die "Wir-haben-Mist-gebaut"-Stille" nach "Tage wie diese". Eine Stille, die die These bestätigt: Jeder Chor auf der Welt braucht — aus welchen Gründen auch immer — ein Lied, mit dem er sich keinen Gefallen tut. Wahrscheinlich hält das die Spannung hoch — und ein wenig die Demut vor großen Aufgaben.

21.25 Uhr Hintsches' Hinweise fruchten. Geht schon viel besser. Beim letzten Refrain schauen viele in die Spiegelwand und tun das, wofür es im Englischen den schönen Ausdruck "Entertain yourself" gibt.

21.30 Uhr "Aaaahh", hallt es durch den Saal. Das nächste Lied ist Totos "Africa". Paradehit. Los geht es mit einer beeindruckenden und gar nicht so schweren "Schnips/gegen-die-Schenkel-schlag/spring/trampel(und-alles-wieder-zurück)"-Einlage, die in dieser Abfolge afrikanischen Regen so überragend nachstellt, dass man sich in den Steppen Namibias wähnt. Allein diese Reise ins ferne Afrika ist kein schlechter Gegenwert für den Eintrittspreis.

21.32 Uhr Furioses Launen-Comeback! "Africa" ist eine geeignete Hymne, um einem Chor die Chance zu geben, Höchstleistung zu erbringen. Die Sängerinnen und Sänger sind in Bewegung, klatschen gedankenverloren im Takt (obwohl sie das gar nicht sollen), Janek macht eigentlich immer noch Regen, so furios spielt er am Klavier — und die Chorleiterin lässt ihre Schützlinge einfach laufen: Hier singt ein selbstbewusster Chor, der sich so richtig freut auf seinen großen Auftritt.

21.50 Uhr Fazit: Dieser Chor ist nicht Weltklasse, aber er beschwingt weltmeisterlich — sich selbst, und auch die Zuhörer. Und er erinnert daran, dass Menschen einst der Schnabel nicht gewachsen ist, um sich über lange Winter zu beklagen, sondern um zu singen. Dies tut der Chor weiter — bis in den ganz späten Abend.

(RP)
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