Opa-Kolumne Warum der kleine Engel Rudi den Nikolaus ablöst

Mönchengladbach · Seinen Auftritt als Nikolaus wird unser Kolumnist wohl absagen müssen. Aber wenn der Nikolaus nicht kann, poltert eben der freche Engel Rudi im Garten herum und verschwindet ungesehen. Ob die Enkelinnen ihm auf die Schliche kommen?

 Dieter Weber

Dieter Weber

Foto: Ilgner

Wenn Sie regelmäßiger Leser meiner Kolumne sind, dann werden Sie jetzt sagen: Und heute schreibt er wieder über seine Nikolaus-Rolle. Ja, Sie haben richtig vermutet, ich bin auch in diesem unseligen Corona-Jahr Nikolaus. Korrekterweise muss ich sagen: Ich hoffe, es noch sein zu können. Denn meinen geplanten Auftritt am Nikolaustag vergangenen Sonntag musste ich absagen, weil meine Enkelinnen in Quarantäne sind. Sie hatten Kontakt mit einer Infizierten, sind bisher zum Glück symptomfrei. Aber selbst der Nikolaus bekommt trotz aller himmlischen Gnaden keinen Passagierschein. Sein Auftritt wird, wenn er noch möglich sein sollte, vor kleiner Kulisse stattfinden. Beglückte er in den Vorjahren meist eine große Kinderschar aus Verwandt- und Bekanntschaft, bleibt sein Auftritt dieses Mal auf die Kernfamilie beschränkt. Also Opa als Nikolaus-Darsteller und Enkelinnen samt Eltern – mehr nicht und mit großem Abstand.

Das ist eine Rückkehr zu meinen Premierenjahren als Nikolaus. Etwa beim ersten Mal vor der damals zweijährigen Hannah und ihren Eltern, als mir die Mitra immer vom Kopf rutschte. Und dann ein Jahr später, als die Eltern nicht da waren und durch die Omas ersetzt wurden, weil Matilda just während des Nikolaus-Besuchs auf die Welt kam. Natürlich weiß Hannah inzwischen, wer im Kostüm steckt. Aber sie spielt jedes Jahr voll mit, um das Geheimnis ihren Schwestern zu erhalten. Und immer ist mein Auftritt für mich eine Wackelpartie. Wie sagte die damals zweijährige Elisa nach meinem Auftritt im Vorjahr: „Nikolaus schöne Geschichte ‘zählt. Wie Opa.“

Und nun? Ein abgesagter Nikolaus-Besuch. Omas und Opas werden mein Dilemma nachempfinden können. Denn für Großeltern gibt es stillose Absagen nicht. Wir sinnen nach Alternativen, um das scheinbar Unmögliche noch möglich zu machen. Bei mir war’s der Auftritt des kleinen Engel Rudi. Er ist seit Jahren mein imaginärer Nikolaus-Begleiter, der draußen wartet, während ich im Haus meine Gaben an die Kinder verteile. Und bevor ich das mache, erzähle ich immer eine Geschichte, bei der Rudi nie gut wegkommt. Denn er ist frech, sorgt für Chaos im Himmel und hat nur Unsinn im Kopf.

Rudi jedenfalls hat in diesem Jahr aus Wut über die coronabedingte Absage des Nikolaus-Besuchs durch das Christkind Riesenberge Schokoladenpudding gegessen und sich unter Tränen und mit Bauchschmerzen in sein rosa Wolkenbett gelegt. Die Rudi-Geschichte habe ich aufgeschrieben, das Blatt mit Schokoladen-Fingerabdrücken versehen und aus Kaffeewasser Tränen auf das Papier gezaubert. Als es am Nikolaustag dunkel war, bin ich in den Garten meiner Enkelinnen geschlichen, habe Geschenke abgelegt, den Brief dazu gelegt und über einen Rosenstrauch Rudis Nikolausmütze gestülpt, die er aus lauter Schusseligkeit da vergessen hatte. Vom trauten Heim trennte Rudi nur der geschlossene Rollladen. Über den ratschte ich mit einem Tortenheber. Dann brabbelte ich etwas in einem piepsigen Singsang, bevor ich verschwand.

Als ich zu Hause war, klingelte das Telefon. Matilda. Sie erzählte, was passiert war. Vor allem beschäftigte sie: Wie bekommt Rudi seine Mütze zurück? Hannah, die den Brief des Nikolaus’ ihren Schwestern vorgelesen hatte, bemerkte im Telefongespräch nur: „Auf Seite zwei hat der Nikolaus ein Wort falsch geschrieben.“ Man sollte sich ernsthaft Gedanken machen, ob man so viel in die Bildung der Kinder investiert ...
Schließlich meldete sich Matilda noch einmal. „Du, Opiiii“, sagte sie. „Irgendwie“ – sie machte eine längere Pause – „riecht die Mütze nach Oma und Opa.“

Kolumnist Dieter Weber ist Opa von Hannah (10), Matilda (7) und Elisa (3). Er berichtet regelmäßig vom Opa-Leben.

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