Opa-Kolumne Wenn Opas Zauber langsam verfliegt

Mönchengladbach · Die bald neunjährige Enkeltochter unseres Kolumnisten wird langsam „cool“ – und die kindliche Begeisterung für den Opa lässt nach. Bis doch noch eine neue Verbundenheit zwischen den beiden entsteht.

 Ein Mädchen macht eine Blase aus Kaugummi. (Symbolbild)

Ein Mädchen macht eine Blase aus Kaugummi. (Symbolbild)

Foto: shutterstock/ Francesco83

Der niederländische Poet, Clown und Liedermacher Hermann van Veen hat in seinen Songs oft Stationen aus der Wechselbeziehung zwischen Kindern und Eltern beschrieben. In „Kleiner Fratz“ zum Beispiel besingt er die Absetzbewegungen eines Kindes mit dem Rad. „Du fährst und fährst und wirst immer kleiner, plötzlich bist du einfach weg.“ Mit zunehmender Mobilität wird das Kind flügge, orientiert sich neu. Oder auch im Lied über „Anne“ mit dem einfachen poetischen Einstieg „Die andren Babys sah ich nicht. Ich sah nur dein Gesicht, Anne“. Und am Ende heißt es: „Kaum bist du ohne Babyspeck, saust du schon auf dem Mofa weg, Anne“.

Oh je, der Weber wird melancholisch, werden Sie jetzt vielleicht sagen. Ich kann Sie beruhigen, wenn Ihnen mein Gemüt Sorge bereiten sollte. Während diese Zeilen entstehen, sitze ich in der Sonne und genieße den Tag und meine Freiheit. Denn ich bin Opa, und als solcher bin ich in der beneidenswerten Lage, meine Zeit zu spenden und als Wohltäter und Entertainer für meine drei Enkelinnen aufzutreten. Ich muss nicht mehr primär erziehen, ich darf vor allem verwöhnen. Das ist ein Privileg.

Aber, ja leider, hat das auch Schattenseiten. Als ich noch nicht Opa, sondern nur Vater von zwei Kindern war, gab es Phasen im Leben, in denen manche Absetzbewegungen oft einen guten Kern hatten. Als meine Tochter und mein Sohn in der Pubertät waren etwa. „Boah, hoffentlich ist das bald vorbei“, habe ich da in nervigen Situationen gedacht und mir vorgestellt, wie Ruhe einkehrt ins Heim, wenn der Nachwuchs ausgezogen ist. Zu dieser Zeit war ich nicht mal 50, hatte also statistisch noch viele Lebensjahre vor mir. Doch in der Rolle als Opa wird jeder Entwicklungsschritt der Enkel zum Wettlauf mit der eigenen Vergänglichkeit. Ich kann mich noch daran erinnern, wie ich die drei Tage alte Hannah in einem Maxi Cosi aus dem Krankenhaus tragen durfte und sie mich anblinzelte. Ich sah nur ihr Gesicht, und sie dachte vielleicht: „Was ist das denn für ein Kerl? Der hat ja weniger Haare auf dem Kopf als ich.“ Und vor lauter Frust darüber ist sie eingeschlafen.

Es dauert nun noch zwei Monate, dann wird Hannah neun Jahre alt. Der Zauber, den ein Geschichten erzählender Opa für sie hatte, ist langsam vorbei. In diesem Alter ist Coolness angesagt. Wenn ich die Eingangstür im Haus meiner Kinder öffne, läuft mir Elisa (2) lachend entgegen und ruft Matilda (5) freudig: „Opaaa!“ Hannahs Begeisterung hält sich in Grenzen. Jüngst huschte sie mit einem lässigen „Hallo Opa!“ an mir vorbei, kaute Kaugummi und blies es dann mit dem Mund zu einer riesigen Blase auf, die dann knallend zerplatzte. Supercool.

Aber es gibt sie noch, die Nähe zwischen Opa und ältester Enkelin. Jüngst bei einem Ausflug mit allen drei. Hannah saß im Auto vorne, ein Recht, um das sie die anderen beiden beneiden. Diese machten auf der Rückbank Quatsch, sangen Kauderwelsch, gackerten und glucksten, wenn in ihrem Wort-Sammelsurium „Kaka“, „Pippi“ oder dergleichen vorkam. Hannah und ich schauten uns dann an, und es entstand eine Eintracht, die von der Gelassenheit und Weisheit unseres Alters geprägt war. „Wie kindisch. Gut, dass wir darüber weg sind“, sagte unser Blickwechsel. In Anlehnung an Hermann van Veens Liedzeile „Kaum bist du ohne Babyspeck, saust du schon auf dem Mofa weg, Hannah...“ frage ich Sie daher: Soll ich ihr schon mal eine Vespa kaufen? Sozusagen prophylaktisch.

Kolumnist Dieter Weber ist Opa von Hannah (8), Matilda (5) und Elisa (2). An dieser Stelle berichtet er regelmäßig vom aufregenden Opa-Leben.
Foto: Detlef Ilgner

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