Opa-Kolumne aus Mönchengladbach Warum „ICH WILL GRÜN!“ erzieherisches Handeln erfordert

Mönchengladbach · Was unterscheidet Eltern von Opas und Omas, wenn es um die Erziehung geht? Unser Kolumnist hat sich darüber Gedanken gemacht. Und er erklärt auch, wie die „Schatzkisten“ für seine Enkelinnen funktionieren.

 Dieter Weber

Dieter Weber

Foto: Ilgner

Welche Rolle nehmen Großeltern ein, wenn sie ihre Enkel betreuen? Ist es die des Kümmerers? Oder sind sie der verlängerte Arm der Eltern, deren Aufgaben und Regeln sie widerspiegeln? Es ist schwierig, auf diese Fragen überzeugende Antworten zu geben. Omas und Opas sind schließlich keine Erfüllungsgehilfen, die nur das knallhart tun, was Eltern vorgeben. Der Reiz, den Großeltern aus der Sicht ihrer Enkel darstellen, liegt auch darin, dass man bei Oma und Opa Grenzen verändern kann. Kennen wir doch: Wenn normale Schlafenszeit der Kinder im häuslichen Umfeld um 20 Uhr ist, verschiebt sich diese nach hinten, wenn darüber Großeltern bestimmen.

„Meine Kinder habe ich erzogen, meine Enkel verwöhne ich“, hat mir einmal eine Oma gesagt. Diese Aussage drückt nicht nur die besondere Situation zwischen Großeltern und ihren Enkeln aus, sie hat auch einen sehr wahren Kern. Aber schließt dies erzieherisches Handeln aus? Wohl kaum. Zumal Enkel wissen, wie das empathische Binnenverhältnis funktioniert, und da munter und die eigenen Interessen immer im Blick auf der Verwöhn-Klaviatur spielen.

Sind unsere Enkelinnen bei uns, kommt irgendwann eine von ihren Top-Fragen: „Dürfen wir etwas Süßes?“ Sowohl im Elternhaus als auch bei uns sind Süßigkeiten nicht verpönt, die Regeln bei Mama und Papa sind aber restriktiver. Klar doch, dass die Enkelinnen ausloten, ob sie diese Grenze bei Oma und Opa aufweichen können. Und dann beginnen harte Verhandlungen, die denen in der großen Politik ähneln – was, wann und wie viel, bis zu meiner Feststellung: „Dann ist aber Schluss!“ Wobei mein scheinbar endgültiges „Schluss!“ auf dem letzten Drücker immer noch ein klitzekleines bisschen variiert wird und dann ein Mehr beinhaltet. Alles wäre einfacher, wenn wir eine Regelung wie die Schweden hätten: Süßigkeiten gibt’s da nur samstags. Diese „Lördagsgodis“ haben ihren Ursprung in einer Kampagne gegen Karies aus den 1930er und 1940er Jahren. Aber auch die Schweden sind heute nicht mehr so streng.

Meine Frau ist da konsequenter. Das liegt mit daran, dass sie dies aus ihrem schulischen Alltag kennt und Abweichungen von der vereinbarten Regel selten zulässt. Sie hatte auch eine Idee, wie sie den Verhandlungsmarathon begrenzt: Sie stellte Schatzkisten auf. Und zwar zwei, weil es zur Süßigkeiten-Frage lange eine weitere gab, die auftauchte, wenn sich die Enkelinnen verabschiedeten. Irgendetwas aus unserem Haus musste jedes Kind mit nach Hause nehmen. „Kann ich mir das ausleihen?“, hieß es dann. Nun dürfen sie sich in einer Schatzkiste bedienen. Entweder aus der Süßigkeiten-Kiste oder ein Mitbringsel, eine Art Kinder-Gadget aus der Wunder-Kiste. Die Süßigkeiten-Frage ist damit geklärt, und Ausleihen ist auch kein Thema mehr.

Erzieherische Eingriffe sind vor allem dann gefordert, wenn es Krach unter den Enkelinnen gibt. So wie jüngst. Matilda (7) bekommt seit jeher beim Essen den Porzellan-Kinderteller, den schon ihr Papa nutzte. Dieses ihr zustehende Recht stellte bisher niemand in Frage. Bis an jenem Mittag, als eine trotzige Elisa (4) ihren Kunststoff-Teller durch die Küche pfefferte, Matildas Teller mit beiden Händen umklammerte und wegen seiner besonderen farblichen Gestaltung laut forderte: „ICH WILL GRÜN!“ Matilda blickte ängstlich und hilflos. Meine Frau nahm den „Kampf der Giganten“ an – und gewann. Dank der Verhandlungsmasse aus der Wunder-Schatzkiste.

Kolumnist Dieter Weber ist Opa von Hannah (10), Matilda (7) und Elisa (4). An dieser Stelle berichtet er regelmäßig vom aufregenden Opa-Leben. Foto: Detlef Ilgner

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