Kultur-Kolumne Stuhlkreise, Klimt und Nutria

Mönchengladbach · Natur, Kunst und Architektur kinderfreundlich und pademiekonform erleben? Das geht, sagt unsere Kolumnistin. Und sie hat auch gleich einen Vorschlag: einen Ort, an dem selbst hungrige Kleinkinder ihre Entdeckungen machen.

 Kunsthistorikerin Anna-Lisa Katthagen-Tippkštter

Kunsthistorikerin Anna-Lisa Katthagen-Tippkštter

Foto: bauch, jana (jaba)

Kleine Fluchten aus dem Alltag, die nicht zu viel Aufwand bereiten, sind gerade in Zeiten von Corona wichtiger denn je. Eine gute Option bietet der Kulturraum Hombroich – ein willkommenes Ausflugsziel, zu dem ich mich mit unserem Sohn auf der Rückbank aufmache.

Der Kulturraum Hombroich liegt im Neusser Stadtteil Holzheim und ist damit schnell zu erreichen. Neben der Raketenstation und dem Kirkeby-Feld umfasst er das Museum Insel Hombroich: eine grüne Oase für all jene, die Freude an bildender Kunst in all ihren Facetten haben. Das perfekte Areal, um Natur, Kunst und Architektur im Einklang zu erleben – und dank der großzügigen Flächen und Bauten absolut pandemiekonform.

1987 eröffnet, verwirklichte der Sammler Karl-Heinrich Müller mit Unterstützung von Künstlern und Landschaftsplanern einen Lebenstraum – getreu dem Motto „Kunst parallel zur Natur“. Die gezeigten Arbeiten sollen rein sinnlich erfahrbar gemacht werden. Beschilderungen und Erläuterungen sucht man hier vergebens.

Auf dem Parkplatz angekommen, muss erst einmal ein Weckmann aus der allzeit strategisch gepackten Wickeltasche her. Erstaunlich, wie selbst eine kurze Autofahrt ein Kleinkind so aushungern kann. Und wenn der nicht reichen sollte: Im Eintrittspreis für den Besuch des Museumsgeländes ist die Verpflegung in der Cafeteria inbegriffen.

Derart gestärkt können wir den Herbst von seiner schönsten Seite erleben. Durch den Wechsel der Jahreszeiten präsentiert sich die Landschaft rund um die einzelnen Ausstellungspavillons immer wieder in neuem Gewand. Gerade jetzt, wo das Laub sich bunt färbt und die Wege durch den Park mehr und mehr bedeckt sind, lohnt sich ein Besuch, der durchaus tagfüllend sein kann.

Die Kunst vor Ort ist vielfältig: Monumentale Wandarbeiten, traditionelle asiatische Artefakte im Dialog mit europäischer Kunst der Moderne, Skizzen von Gustav Klimt, und all das untergebracht in klarer Architektur gibt es unter freiem Himmel zu bewundern.

Zudem beeindruckt das „Parlament“ des Künstlers Anatol, der hier über viele Jahre sein Atelier hatte und mit seinen Skulpturen nachhaltig das Museum prägte. Die 27 rostroten Stahlstühle, die wie Throne anmuten, strahlen etwas Archaisches aus und lassen mich jedes Mal aufs Neue verweilen. Eriks Aufmerksamkeit gehört derweil ganz den Nutria; diese possierlichen Tierchen mit den orangefarbenen Zähnchen gehören zu den vierbeinigen Bewohnern im Park.

Wer etwas strammeren Schrittes das Museum Insel Hombroich hinter sich gelassen hat – also mutmaßlich ohne Kleinkind im Gepäck unterwegs ist – kann noch bis April ein echtes Schmankerl zeitgenössischer Kunst erleben. In der Langen Foundation auf dem Gelände der Raketenstation sind die Arbeiten von Alicja Kwade zu bewundern. Felsbrocken, die zu schweben scheinen, die monumentale Treppe des Ausstellungsbaus voller steinerner Kugeln – bereits die Berichterstattung ist so reizvoll, dass ich gemeinsam mit dem kleinen Mann schon das nächste Ausflugsziel im Blick habe. Von meinem Vater habe ich mir sagen lassen, dass er in dieser Ausstellung stark in Versuchung kam, das eine oder andere Objekt in Bewegung zu versetzen. Ein schönes Gefühl, dass die Kunst auch bei uns Erwachsenen immer noch das innere Kind erwecken kann.

Kunsthistorikerin Anna-Lisa Katthagen-Tippkötter. Foto: Jaba

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