Opa-Kolumne Opa übt schnelles Umdenken
Mönchengladbach · Ein unsichtbares Virus kann fatale Folgen haben. Aber auch bei harmlos verlaufenden Infektionen bringt es feste Lebensordnungen oft durcheinander. Warum das alles etwas mit Weihnachten zu tun hat, verrät unser Kolumnist.
Ich schreibe heute über Weihnachten. Die Fragezeichen in Ihrem Gesicht kann ich mir bildhaft vorstellen. Weihnachten 2021 ist schon einen Monat her, und bis Weihnachten 2022 ist es noch lang hin. Nein, Weihnachten ist in dieser Kolumne nicht als Fest zu verstehen, sondern als Zeitraum. So quasi um Weihnachten herum. Klingt kompliziert, ist es aber nicht.
In Normalzeiten sieht unser familiäres Programm vor Weihnachten so aus: Es gibt die Geburtstage von Matilda und Elisa, die einmal mit Familie, dann im Freundeskreis gefeiert werden. Dann folgt Weihnachten, das erst familienintern, anschließend mit Familie I (Schwiegertochter) und Familie II (meine Kernfamilie) begangen wird. Kommt zeitlich prima mit Heiligabend und zwei Weihnachtstagen hin. In Pandemiezeiten ist alles anders. Und es begab sich zu dieser Zeit, dass Quarantäne angesagt war. Die Familie meines Sohnes – zwei Erwachsene, drei Töchter – war komplett infiziert. Machen Sie sich keine Sorgen: Alle hatten milde Verläufe, gesundheitlich problemlos.
Aber dieses biestige und rücksichtslose SARS-CoV-2 verhagelte beste Vorbereitungen. Die Geburtstage fanden außerhalb der Kernfamilie auf der Straße statt: Großeltern, Tanten, Onkel, Freunde – sie alle gaben ihre Mitbringsel vor der Haustür ab und trällerten Geburtstagsliedchen als Straßenmusiker. Mein alljährlicher Auftritt als Nikolaus fiel aus. Die Quarantäne zog sich bis einschließlich des 25.12. hin. Dann sollte am 26.12., wie geplant, die Feier bei Familie I (Schwiegertochter) und, um-geplant, am 27.12. die Feier bei Familie II (bei uns) stattfinden. Abends am 25.12. kam der Anruf der Schwiegertochter: „Meine Eltern sind in Quarantäne. Wir kommen morgen zu euch. Kein Stress, kein besonderes Essen, nur ein bisschen feiern!“
Das sagt sich so leicht. Können Sie Kindern im Alter meiner Enkelinnen die familiär-festlichen Rituale einfach verweigern? Und dabei ein unsichtbares Virus als Schuldigen präsentieren? Geht gar nicht. Hannah, Matilda und Elisa hatten die zweiwöchentliche Quarantäne mit Geburtstagsfeier-, Schul- und Kindergartenausfall mit Würde und Charakter ertragen. Dann durfte doch das Virus nicht auch noch das größte Familienfest des Jahres beherrschen, bei dem wir endlich unsere Enkelkinder wieder in die Arme schließen durften. Es wurde ein schöner Tag, der für uns Alte den Beweis erbrachte, dass wir uns auf eine neue Situation noch schnell einstellen können. Das konnten wir auch zwei Wochen lang üben. Vor allem bei Einkäufen, die wir für die Familie unseres Sohnes erledigen mussten. Suchen Sie mal Nussmischungen und Hafermilch, die nur von bestimmten Marken und in einer ganz bestimmten Konsistenz sein müssen. Da lernen Sie Supermarkt-Ecken kennen, die Sie vorher nie betreten haben.
Gespannt war ich, ob Matilda als Überbringer der Geschenke-Gaben noch dem Christkind die tragende Rolle zugestand. Sie zweifelte, denn sie stellte ihren Eltern in der Vorweihnachtszeit kritische Fragen. Doch dann spielte sie mit, als wollte sie diese kindliche Phase noch nicht missen. Erst als meine Frau ein Geschenk für Hannah nach dem Fest umtauschen und dafür in ein Geschäft musste, kam ihr entscheidender Konter. „Woher weißt du denn“, fragte Matilda meine Frau, „dass das Christkind das Geschenk da gekauft hat?“
Dieter Weber ist Opa von Hannah, Matilda und Elisa. Foto: Detlef Ilgner