Lehrer-Kolumne Klassentreffen

Mönchengladbach · Als Lehrer zum eigenen Klassentreffen gehen - das hat schon was. Alles ist anders und doch irgendwie genau wie früher.

„So – und dann sind hier die neuen Physikräume.“ So beende ich meine kleine Führung. Vor einiger Zeit war bei uns Tag der offenen Tür und wie so häufig kamen auch dieses Mal ehemalige Schüler zu uns, die sich nochmals ihre alte Schule ansehen wollten. Meist haben sie gerade mal vor ein bis drei Jahren ihr Abitur gemacht und fühlen sich immer noch der Schule und ihrem damaligen Lebensabschnitt als Schüler sehr verbunden. Insofern gebe ich fast jedes Jahr der ein oder anderen Ehemaligengruppe eine kleine Führung. So auch dieses Jahr. Doch an diesem Tag war alles ein wenig anders. Denn direkt nach dem Tag der offenen Tür setzte ich mich in mein Auto und fuhr zu meiner alten Schule. Dieses Mal hatte ich Klassentreffen. 20-Jähriges! Und tatsächlich hatte ich nach meinem Abitur auch keinen Kontakt mehr zu meinen ehemaligen Mitschülern.

Umso gespannter machte ich mich auf den Weg. Ob ich sie alle noch wiedererkennen würde? Welche Lehrer von damals sind noch mit dabei? Hat sich die Schule sehr verändert? Ich war gespannt und voller Vorfreude.

 Felix Nattermann

Felix Nattermann

Foto: Deutscher Lehrerpreis/Sebastian Semmer

An meiner alten Schule angekommen wartete ich noch eine Weile und dann kamen auch der Reihe nach meine alten Mitschüler. Letztlich waren wir circa 50 Leute, knapp die Hälfte der damaligen Stufe ist aus allen Herrenländern angereist. Und ja, ich erkannte sie wieder. Übrigens auch die beiden inzwischen pensionierten Lehrer, die sich nur wenig verändert hatten. Dafür hatten sich aber meine Mitschüler von damals sehr verändert. Zumindest optisch. Die einstigen Sportskanonen, zu denen ich als junger Computer-Nerd immer aufschaute, hatten inzwischen einen ganz guten Wohlstandsbauch bekommen, der absolute Mädchenschwarm der Stufe hatte kaum noch Haare auf dem Kopf und auch sonst war die Farbe Grau bei der Kopfbehaarung der Herren allgegenwärtig. Oh Mann, sind wir alt geworden.

Nach einem kleinen Austausch untereinander, ging es dann zur Führung durch das Schulgebäude. Einiges hat sich in letzter Zeit verändert. Was aber geblieben ist, ist der Geruch. Jedes Schulgebäude hat irgendwie seinen eigenen unverwechselbaren Geruch. So auch das meiner alten Schule. Vorbei am neuen Lernzentrum, Foyer und den Chemieräumen, bewegte sich die Menge hin zum großen Biologiesaal. Dort quetschten sich alle 50 Leute in die Bänke. Es waren noch immer die Sitzreihen von damals. Hier und da erkannte der ein oder andere Mitschüler seine „Texte“ auf den alten Bänken.

Es war ein komischer Augenblick. Noch vor wenigen Stunden führte ich meine alten Schüler durch die Räume meiner Schule. Jetzt sitze ich hier auf der anderen Seite. Sitze auf meinem alten Schülerplatz, vor mir meine ehemaligen Lehrer, links und rechts von mir meine Mitschüler. Plötzlich fühle ich mich in der Zeit zurückversetzt: wieder als Schüler. Ein ganz seltsamer Augenblick – gerade als Lehrer. Aber irgendwie auch schön.

Lustig: Von ihrer Art haben sich meine Mitschüler kaum verändert. Der Klassenclown kloppt auch jetzt noch die besten Sprüche raus, mein Freund Christian ist nach wie vor verkopft und nerdig wie schon damals und auch sonst sind sie irgendwie so geblieben, wie sie damals auch waren. Nur sind sie jetzt Ärzte, Kindergärtner, Anwälte, Lehrer, Bauarbeiter, Väter und Mütter. Und ich mittendrin.

Felix Nattermann ist Mathe- und Informatiklehrer am Gymnasium am Geroweiher in Mönchengladbach und Autor vom Buch „Gebt den Kindern die Verantwortung zurück“ Foto: S. Semmer

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