Kolumne Kunstformen des Alltags, oder: So schön kann Wasser sein

Mönchengladbach · Springbrunnen sind faszinierend für Erwachsene, aber besonders für Kinder. Kunsthistorikerin Anna-Lisa Katthagen-Tippkötter erklärt, welche Funktion Brunnen früher wie heute einnehmen. Und welche ihrem kleinen Sohn am besten gefallen.

Kunsthistorikerin Anna-Lisa Katthagen-Tippkötter

Kunsthistorikerin Anna-Lisa Katthagen-Tippkötter

Foto: bauch, jana (jaba)

Spaziergänge in die Innenstadt mit Kleinkind erfolgen nach ganz eigenen Gesetzmäßigkeiten: Führt uns der Weg an einer Buslinie entlang? Wie wahrscheinlich ist es, dass wir den heißgeliebten roten Porsche sehen oder zumindest die Kehrmaschine? Oder kommen wir gar an einer Baustelle vorbei? Seit einiger Zeit reihen sich in diese Fahrzeugarmada allerdings auch nicht bewegliche Objekte ein, die das Kunsthistorikerinnenherz höher schlagen lassen: Mal mehr, mal weniger skulptural ausgestaltet, jedoch gerade während der Sommermonate immer wieder faszinierend –  Springbrunnen.

Der derzeitige Favorit unseres Sohnes Erik (2) ist der große kreisförmige Brunnen auf dem Rheydter Marktplatz – im stillen Zustand nach der Umgestaltung des Platzes ein eher unauffälliges Exemplar ohne figürlichen Schmuck. In Betrieb liefern die in unterschiedliche Höhen schießenden Fontänen einen eindrucksvollen Blickfang, der bei meiner aufgeweckten Begleitung Freudenschreie auslöst. Ähnliche Begeisterung rufen auch der Bylandt-Brunnen und der Wasserlauf an der Wilhelm-Strater-Straße hervor, lädt die Gestaltung doch zum Hineinlaufen ein. Beide Springbrunnen sind bei gutem Wetter Hotspots für Kinder – kann man dem erst spritzenden, dann wieder sanft dahin sprudelnden Fluten doch kaum widerstehen.

Besonders im Barock war der Entwurf und die Gestaltung von Brunnenanlagen eine Aufgabe von höchstem Prestige. Die Brunnen in der Ewigen Stadt etwa faszinieren die Menschen bis heute – wer kennt nicht den Trevi-Brunnen, in den Touristen jährlich über eine Million Euro in kleinen Münzen werfen (dies soll die sichere Rückkehr nach Rom garantieren)?

Der Einsatz von Wasser prägte ganze Gartenanlagen. Hierbei stellten die Architektur der Becken und die Gestaltung des skulpturalen Schmucks nur einen Teil des Gesamtkonzeptes dar – mit einem einfachen „Wasserhahn auf“ und dem Drücken des Start-Schalters war es hier nicht getan. Es wurde mit großen Staubecken gearbeitet, mit sogenannten Wasserbauwerken und mit Wasserdruck. Die weltberühmten Kaskaden auf der Wilhelmshöhe in Kassel etwa sind Teil des Unesco-Kulturerbes und bedürfen keinerlei Pumpen. Ausgehend von großen Speicherbecken am höchsten Punkt erreicht das Wasser die erforderliche Kraft und Geschwindigkeit allein durch Gefälle.

Doch zurück ins Hier und Jetzt: Das beruhigende Plätschern, die dynamische Bewegung, die spürbar frischere Luft – Springbrunnen sind ein Zeichen von Lebensqualität, verbessern das Stadtklima – stellen bis heute für KünsterInnen eine reizvolle Gestaltungsaufgabe dar. Auf dem Odenkirchener Martin-Luther-Platz findet sich mit dem Regenbaum von Renate Fellner ein schönes und filigran gearbeitetes Beispiel für bronzene Brunnenskulpturen. Abstrakter kommt der „quadratisch-runde“ Brunnen von Erwin Heerich auf dem Alten Markt daher, ebenso das Arolsen-Piece von Larry Bell im Skulpturengarten des Museum Abteiberg (derzeit in Restaurierung). Letzterer platzierte zwei farbige Glaskuben im bereits vorhandenen Wasserbassin und brach damit die strenge Formensprache auf.

Allen gemein ist ihr fester Platz im Alltag: Wohl jeder von uns kommt immer wieder an einem der wasserspeienden, sprudelnden oder vor sich hinplätschernden Objekte vorbei. Schauen Sie doch beim nächsten Mal einfach etwas genauer hin.

Der Favorit meiner Kindheit war der Rosenbaumbrunnen auf dem Eickener Marktplatz – das Blattwerk, die Rosen, die Dornen übten auf mich eine märchenhafte Anziehungskraft aus – so anziehend, dass ich bei näherer Betrachtung der Seerosen hinein fiel. Es bleibt abzuwarten, ob es mir Erik gleichtun wird.

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