Kolumne Denkanstoß Singe, wem Gesang gegeben

Mönchengladbach · Unser Autor kann nach eigenen Angaben nicht singen, aber er vermisst es doch: „Ich ertappe mich, dass ich unbedingt singen möchte, gleichgültig, ob die Nachbarn rechts und links den Kopf schütteln, weil ich den Ton nicht treffe.“

 Singen bedeutet Lebensfreude: Durch Corona habe viele gelernt, wie wichtig das Singen ist.

Singen bedeutet Lebensfreude: Durch Corona habe viele gelernt, wie wichtig das Singen ist.

Foto: dpa/Martin Schutt

Wer mich kennt, der weiß, dass ich nicht singen kann. Meine Stimme würde ausreichen, aber ich treffe keinen Ton. Wenn ich im Gottesdienst singen soll, verzweifeln die Kantoren. Deshalb verzichten wir auf den „Genuss“, und ich rede mir ein, dass gutes Sprechen genauso schön sei.

Am Beginn der Corona-Zeit wurde das Singen in Kirchen verboten. Inzwischen ist es erlaubt, mit Abstand und mit Maske zu singen. Ich ertappe mich, dass ich unbedingt singen möchte, gleichgültig, ob die Nachbarn rechts und links den Kopf schütteln, weil ich den Ton nicht treffe. Mitbrummen möchte ich. Durch Corona habe ich gelernt, wie wichtig Singen ist, mit oder ohne richtige Töne. Hauptsache, ich klinke mich in die Melodie ein und spüre die anderen neben mir. Über die verlorene Gemeinschaft leiden die Chöre besonders.

Es ist nicht nur eine Gottesdiensterfahrung. Auf jeder Karnevalssitzung wird gesungen. Der gemeinsam gesungene Karnevalsschlager gehört zum Programm. Ein verstummtes Publikum, das nur den Räubern zuhört, ist undenkbar. Mitsingen ist bei mancher Sitzung wie Kostümierung Pflicht. Was die Höhner anstimmen und worin alle einstimmen, vermittelt das, was Karneval ausmacht: Freude und Frohsinn.

Genauso ist ein Borussenspiel ohne Gesang wie Pommes ohne Mayo. Die Fans müssen ihre Begeisterung heraussingen. Das gemeinsame Lied, oft mehr geschmettert als gesungen, hält das eigene Publikum zusammen und beflügelt die Mannschaft. Die Hymne trägt sie zum Sieg. Wo man singt, da lass dich ruhig nieder, egal ob du beim Hoppedizerwachen, im Borussenstadion oder im Gottesdienst singst. Denn durch das Singen erlebst du Lebensfreude pur. Verbiesterte Menschen kennen keine Lieder.

Ich halte die Corona-Vorschriften ein, um mich und andere zu schützen. Die Areosole sind tückisch. Gleichzeitig jedoch merke ich, was uns mit den nicht gesungenen Liedern verloren geht. Für die Zukunft wünsche ich mir, endlich wieder aus vollem Herzen mitbrummen zu dürfen. Gläubige Menschen kennen einen weiteren Grund. Ihr irdischer Gesang schenkt Gott die Ehre, die die himmlischen Chöre in Ewigkeit besingen.

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