Kunst-Kolumne aus Mönchengladbach Wann ist ein Münster ein Münster?

Mönchengladbach · Der Sohn unserer Autorin hat eines der großen Wahrzeichen Mönchengladbachs für sich entdeckt. Alleine der Name des Kirchenbaus sagt viel aus über seine Geschichte.

 Das Mönchengladbacher Münster

Das Mönchengladbacher Münster

Foto: Bauch, Jana (jaba)

Die Faszination unseres zweijährigen Sohnes Erik für jegliches Baustellengefährt ist ungebrochen. Doch neben den Dauerbrennern mit vier Rädern steht nun auch ein Gladbacher Baudenkmal hoch im Kurs. Auslöserin war meine Schwiegermutter, die für den Enkel auf dem Weg nach Windberg jede Fahrt aufs Neue geduldig alle prägnanten Bauwerke am Straßenrand benennt. Kürzlich sprach uns ein Kita-Mitarbeiter an, woher unser Sohn den Begriff „Münster“ kennt – Erik hatte nach eigener Aussage ein solches aus Duplosteinen gebaut. Das Thema setzt sich seither fort – von drei in aller Eile aufeinandergestapelten Steinen bis hin zu geduldig ausgeführten großen Bauprojekten verdienen alle nun die Bezeichnung „Münster“. Meist ist es kunterbunt und – wenn der Vater mitspielen darf – gibt es sogar ein Gefängnis mit Sheriff neben dem Eingangsportal. Noch schnell via Youtube das originale Glockengeläut vom Bauwerk abgespielt und das Kind ist selig.

Doch was hat es mit der Begrifflichkeit eines Münsters auf sich? Der korrekte Titel des Gladbacher Wahrzeichens lautet Münsterbasilika St. Vitus: eine Bezeichnung mit viel Informationsgehalt. Geweiht ist die Kirche dem Heiligen Vitus, unserem Stadtpatron. Vitus soll um 304 n. Chr. als Märtyrer in Italien gestorben sein. Seine Reliquien gelangten an den Niederrhein und ihr Auffinden an der Stelle des heutigen Baus auf dem Abteiberg soll den Ausschlag für die Gründung eines Klosters gegeben haben. Diese kann als Ursprung der Stadt Mönchengladbach gelten. In der Schatzkammer des Münsters befinden sich bis heute sterbliche Überreste des Heiligen Vitus in einem Büstenreliquiar– so nennt man ein kostbares Behältnis in Form eines Brustbildes, in dem Reliquien von Heiligen verwahrt werden.

Aber was macht denn nun ein Münster zum Münster? Mit der Klostergründung des Benediktinerordens auf dem Abteiberg im Jahr 974 entstand dort auch ein Kirchenbau. Und so kommen wir zur Begriffsdefinition: Münster leitet sich von dem lateinischen Wort „monasterium“ ab, welches Kloster bedeutet. So bezeichnet man also ursprünglich eine Kirche, die Teil eines Klosters ist beziehungsweise war. Und was hat es mit der Basilika auf sich? Aus architektonischer Sicht handelt es sich um einen mindestens dreischiffigen Kirchenbau, dessen Mittelschiff deutlich höher als die Seitenschiffe und mit eigenen Fenstern versehen ist. Schon von weitem wird ersichtlich, dass diese Voraussetzungen auf dem Abteiberg gegeben sind. Dort gesellt sich zur architektonischen Bedeutung noch eine kirchenpolitische: 1974 wurde das Münster – exakt 1000 Jahre nach Gründung der Abtei – zur Basilica minor erhoben. Dieser Ehrentitel kann nur durch den Papst verliehen werden.

 Kunsthistorikerin Anna-Lisa Katthagen-Tippkötter

Kunsthistorikerin Anna-Lisa Katthagen-Tippkötter

Foto: bauch, jana (jaba)

Mit etwas Hintergrundwissen lässt sich allein durch die Kirchenbezeichnung viel erfahren. Erik interessieren freilich weder Kunst- noch Kirchengeschichte. Sein jüngstes Ansinnen ist es, bei unseren regelmäßigen Fahrten unterhalb des Münsters entlang ein bestimmtes Lied einer einschlägigen Karnevalsband zu hören – ganz laut. Bei solch frühen rheinisch-katholischen Anwandlungen schlägt das jecke Mutterherz gleich höher.

Anna-Lisa Katthagen-Tippkötter ist Kunsthistorikerin.

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