Doktor-Kolumne aus Mönchengladbach Gebt Kindern einen Rhythmus!

Mönchengladbach · Die Pandemie hat unser aller Leben durcheinander gewirbelt. Zur Zufriedenheit gehört aber ein fester Rhythmus, findet unsere Kolumnistin. Die Kinder- und Jugendärztin erklärt, wie ein Tag strukturiert werden sollte.

 Kinderärztin Renate Harnacke.

Kinderärztin Renate Harnacke.

Foto: Reichartz,Hans-Peter(hpr)/Reichartz, Hans-Peter (hpr)

Im Rahmen der Covid-19-Pandemie ist unser aller Leben völlig verändert. Immer wieder fallen das Leben sicher gestaltende Strukturen wie Betreuungsangebote und Präsenzunterricht weg, so dass sich einige Kinder und Jugendliche unsicher und unglücklich fühlen. Das gilt besonders, wenn Eltern auch noch überfordert sind mit der Herausforderung, Familie, ihre eigenen beruflichen Aufgaben und Hausarbeit „stemmen“ zu müssen.

Was hilft? Die Fähigkeit, mit viel Zeit umgehen zu können! Grundsätzlich gilt, dass ein regelmäßiger Tagesablauf eine große Sicherheit vermittelt und ein Gefühl der Geborgenheit – eine wichtige Voraussetzung für seelische und körperliche Gesundheit. Als Strukturelemente dienen Schlafens- und Ruhezeiten sowie Mahlzeiten, letztere idealerweise ab dem Kleinkindalter dreimal täglich.

Auch für Säuglinge ist ein Rhythmus hilfreich. Das heißt: Es empfiehlt sich, in wachen Phasen am Tage für je 20 bis 30 Minuten ein sogenanntes Autonomietraining anzubieten mit Anregungen zum Schauen, Hören und Fühlen. Dazu kann man das Baby in Bauchlage auf eine Decke mit ein wenig Spielzeug legen. Gleiche kurze Abläufe, die der Schlafenszeit vorausgehen, sind in der Regel unverzichtbar, wenn das erholsame Schlafen eingeleitet werden soll.

Schon Kinder ab einem Jahr fühlen sich gerne als Mitglied der Gemeinschaft und wollen etwas dazu beitragen. Die Hilfe beim Zubereiten von Essen, beim Tischdecken und Abwaschen ist nicht nur lehrreich, es stärkt auch das Selbstbewusstsein des Kindes

Bei Schulkindern im Lockdown ist das Einhalten der Lernzeiten auch zu Hause sehr hilfreich, unterbrochen von kurzen Pausen, die der Bewegung dienen sollten. Nach einem Mittagessen und anschließender Ruhe – bei Kindern ab circa acht Jahren reichen hier oft schon 20 Minuten – kann dann zur Vertiefung des Lernstoffes eine Zeit für Hausaufgaben eingeplant werden. Die nötige Bewegung in der Natur kann aufgestaute Spannungen lösen.

Da das textverstehende Lesen sich leider in den letzten Jahren bei einer zunehmenden Zahl von Kindern immer weiter verschlechtert hat, muss ab dem Schulalter dem lauten und stillen Lesen – möglichst mit Gesprächen über das Gelesene – unbedingt ein großer Raum eingeräumt werden. Auch Raum braucht ein strukturiertes Heranführen an digitale Medien.

Auch bei Jugendlichen sollte – wenn irgend möglich – auf Einhaltung der Lernzeiten bestanden werden. Der Umgang mit digitalen Medien sollte alters- und persönlichkeitsgerecht limitiert, eine Mithilfe in Haushaltsdingen eingefordert und dem dringlichen Wunsch der Jugendlichen nach Kontakt zu Freunden (soweit pandemiebedingt vertretbar) Raum gegeben werden. Gemeinsame Bewegung draußen mit Abstand und gegebenenfalls Maske ist hier eine gute Möglichkeit. Beim Radfahren, Inlinern oder gemeinsamen Joggen ergeben sich auch dringend nötige Möglichkeiten zum Austausch.

Es ist ein zufrieden machendes Gefühl, wenn vor Kindern, Jugendlichen und Familien ein Tag als ein harmonisches Rhythmusgebilde liegt!

Dr. Renate Harnacke ist Fachärztin für Kinderheilkunde und Jugendmedizin.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort