Doktor-Kolumne Gebt den Kindern Taschengeld!

Mönchengladbach · „Wissen ist Macht“ lautet ein altes Sprichwort, und dazu gehört auch der richtige Umgang mit Geld. Das gilt nicht nur in Zeiten der Pandemie. Kinder sollten früh an die Finanzwelt herangebracht werden, findet unsere Autorin und erklärt, wie es geht.

 Renate Harnacke

Renate Harnacke

Foto: Reichartz,Hans-Peter(hpr)/Reichartz, Hans-Peter (hpr)

In Zeiten der nun ein Jahr anhaltenden Pandemie haben wir viel erfahren über mögliche psychische Folgen für Kinder und ihre Familien, über mögliche Nachteile im Lernen und damit im Kompetenzerwerb für ein gelingendes Leben, und so mancher wird sich in diesem Jahr gefragt haben, welche finanziellen Auswirkungen die Pandemie wohl nach sich ziehen wird.

Besonders in diesem Setting ist es wertvoll, sich bewusst zu machen, welch hohen Wert auch die Vermittlung des Umgangs mit Geld für Kinder und Jugendliche hat. Sie sind es unbedingt wert, ihnen beizubringen, auch mit eventuell knappen Mitteln ein glückliches Leben führen zu können.

Beginnend schon  lange vor der Zeit in einer Kita lernen Kinder durch Beobachtung: Leben Eltern einen reflektierten Umgang mit Finanzmitteln vor oder aber eine Welt des Überflusses? Kaufen sie bedacht ein – möglichst mit einer Liste –, oder packen sie unreflektiert alles in ihren Einkaufskorb, auch das, was den Kindern gerade „einfällt“? Werfen sie übrige Lebensmittel einfach weg oder kümmern sich um eine Wiederverwertung? Erfüllen sie sich spontane Wünsche sofort oder warten sie ab?

Es empfiehlt sich, auch mit Kita-Kindern über Geld zu sprechen und es ihnen „begreifbar“ zu machen. Ab dem Grundschulalter sollten Kinder Taschengeld bekommen und lernen, Münzen einzuteilen, einerseits für längerfristige Wünsche, andererseits für kurzfristige Aufgaben. Das historische Sparschwein, gerne in zweifacher Ausführung, eignet sich hierfür gut.

Für Sechsjährige sind 1 bis 1,5 Euro pro Woche anzuraten, die bis zu neun Jahren auf 2,5 bis 3 Euro angepasst werden sollten. Was vom Taschengeld gekauft werden muss, sollte besprochen sein. Apps wie zum Beispiel „Fiethe Math“ oder „Dr. Panda Supermarkt“ helfen, Zahlenverständnis aufzubauen und Abläufe in Geschäften begreifbarer zu machen.

Nach dem Grundschulalter empfiehlt es sich, die Taschengeldauszahlung auf monatlich zu verändern, für Zehnjährige zwischen 15,50 bis 18 Euro im Monat, steigernd bis 18 Jahre auf zwischen 61 bis 76 Euro im Monat. Für notwendige Anschaffungen wie Kleidung sollten Eltern extra Beträge auszahlen, mit denen der Jugendliche dann auch zu den definierten Zwecken zurechtkommen sollte. Ist das Geld des Jugendlichen „verbraucht“, ist aus erzieherischen Gründen davon abzusehen, „nachzuzahlen“ oder Kredit zu gewähren.

Die App „Anno 1800“ bringt zum Beispiel Jugendlichen bei, wie Wirtschaft funktioniert. Es geht hier darum, Wirtschaftssysteme aufzubauen. Taschengeld-Apps erlauben eine Einsicht in den Stand der Einnahmen und Ausgaben und können helfen, eine Art Finanzplan zu erstellen. Auch Warnungen vor zu hohen Ausgaben können eingerichtet werden.

Nicht zuletzt ist natürlich die Heranführung an die virtuelle Welt des Geldes bedeutsam. Eine Giro-Debitkarte wird vom deutschen Jugendinstitut ab zwölf Jahren empfohlen, Kreditkarten ohne Kredit, sowie Amazon- oder Paypal- Konten, ab 16 Jahren. In Zeiten von praktisch null Zinsen ist es bedeutsam, Jugendliche auch schon an andere Anlageformen heranzuführen, um später leichter dem Wunsch nach einer eigenen Immobilie nachkommen zu können. Hier bieten sich ETFs (börsengehandelte Indexfonds) an, die den deutschen DAX nachbilden und als  solide zu bewerten sind.

Wissen ist Macht – auch für ein gelingendes Leben – und dieses Wissen um den Umgang mit Geld gehört unbedingt dazu – nicht nur in der Pandemie.

Dr. Renate Harnacke ist Fachärztin für Kinderheilkunde und Jugendmedizin. Foto: Reichartz

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