Ein Spiel mit vielen Gewinnern Enkeltauglich leben

Mönchengladbach · Eine Mönchengladbacher Gruppe erkundet die Gemeinwohl-Ökonomie – für sich, die Kinder und die Enkel. Die Teilnehmer suchen im Alltag nach Projekten, die etwas verändern.

 Nicht nur Oma und Opa können für nachfolgende Generationen Wertvolles tun.

Nicht nur Oma und Opa können für nachfolgende Generationen Wertvolles tun.

Foto: dpa-tmn/Rainer Berg

Enkeltauglich leben – das klingt gut, sehr gut sogar. Ein ziemlich genialer Titel für einen Kurs. Wer sich darunter aber vorstellt, dass da Senioren Wachslinge basteln und Energiespartipps austauschen, sieht sich getäuscht. „Enkeltauglich leben“ ist als Spiel aufgebaut. Die Teilnehmer beschäftigen sich mit den Grundbegriffen der Gemeinwohl-Ökonomie und suchen in ihrem Alltag nach großen oder kleinen Projekten, mit denen sie etwas verändern können. Haben sie das geschafft, bekommen sie beim nächsten Treffen Punkte. Zum Schluss gibt’s einen Sieger – und ganz viele Gewinner.

In Mönchengladbach treffen sich die Teilnehmer bei Ökobäcker Hans Oehmen im Café Ö. Zehn Frauen und Männer haben sich eingefunden, nicht alle in einem Alter, in dem man Enkel hat. Außerdem mit dabei: Spielleiterin Martina Parzinger. Sie kommt aus der Region, in der das Spiel entwickelt wurde, Traunstein in Südostbayern. Dort beim Katholischen Bildungswerk ist die Idee entstanden, Nachhaltigkeit ohne erhobenen Zeigefinger zu vermitteln. Basis des Kurses sind die fünf Säulen der Gemeinwohlökonomie: Menschenwürde, Solidarität, Gerechtigkeit, Nachhaltigkeit und Demokratie. Jeder Abend widmet sich einem dieser Werte, und am Schluss geben die Teilnehmer ihre Wetten ab – die Projekte, die sie bis zum nächsten Mal umgesetzt haben wollen.

Im Café Ö berichten die zehn Versammelten, die sich untereinander duzen, wie es sich für Spielpartner gehört, von ihren Ergebnissen. Die sind vielfältig und bunt. Hans hat sich über runderneuerte Laptops informiert – als Alternative zum Kauf eines neuen. „Ich habe sehr positive Erfahrungen in einem Laden in der Innenstadt gemacht“, erzählt er. Er hat auch gleich einen runderneuerten gekauft – mit Garantie. Maternus ist als Radfahrer viel in Gladbach und Viersen unterwegs – zum Teil mache er dabei Nahtoderfahrungen, weil die Lkw so dicht an ihm vorbeifahren. Er hat Kontakt zur Mobilitätsbeauftragten aufgenommen, sich über die Planung von Radwegen informiert und auch erfahren, dass man Gefahrenstellen der Polizei melden kann. Sein Fazit: noch viel Luft nach oben. Aber positiv sei, meint seine Frau Monika, dass etwas unternommen wurde. „Wir ärgern uns seit Jahren über die Situation auf den Radwegen, haben aber in all den Jahrzehnten Sauersein nicht irgendwo angerufen.“  Aber jetzt.

Noch viele andere Themen kommen an diesem Abend auf den Tisch: die Lage der Obdachlosen in Mönchengladbach, die ethischen Kriterien der Telekom,  runderneuerte Reifen, die Frage, woran man erkennen kann, dass Kleidung nachhaltig produziert wurde. Damit hat sich Monika beschäftigt. „Es gibt unglaublich viele Siegel“, stellt sie fest. Die Verkäuferinnen seien völlig überfordert, wenn man nach Kleidung fragt, die nach sozialen und ökologischen Standards produziert wurde. Trotzdem hat sie zu ihrer großen Freude einen Laden gefunden, der mit einem Siegel garantiert, dass keine Kinderarbeit in der Kleidung steckt und die Textilarbeiter angemessen bezahlt werden. Wenn die Teilnehmer von ihren Ergebnissen berichten, werden gleich auch noch Tipps ausgetauscht. Zum Beispiel über Second-Hand-Läden, Übersichtsseiten oder Booklets mit Siegeln und Standards und vieles mehr. Aber nicht alle suchen Informationen, auch Erinnerungen sollen festgehalten werden. „Erinnerungskultur gehört zur Menschenwürde“, sagt Berti. Er hatte sich deshalb vorgenommen, fünf Seiten mit Familienerinnerungen aufzuschreiben. Unter anderem die von seiner Ur-Ur-Ur-Oma, die schon den Deutsch-Französischen Krieg und den Ersten Weltkrieg erlebt hatte und 1939 sagte: „Ach, warum fangen sie schon wieder an?“

 Martina Parzinger leitet das Spiel, bei dem es zwar nur einen Sieger, aber viele Gewinner gibt.

Martina Parzinger leitet das Spiel, bei dem es zwar nur einen Sieger, aber viele Gewinner gibt.

Foto: Markus Rick (rick)

Dann beschäftigen sich die Teilnehmer mit dem Thema Solidarität und überlegen sich jeder eine neue, möglichst konkret formulierte Wette. Etwas, das sie beim nächsten Treffen umgesetzt haben wollen. Günstiger Wohnraum, intelligente Zivilcourage, Bürgerenergie – ein weites Themenfeld. „Es ist immer sehr beeindruckend, was an Kompetenzen und Ideen zusammenkommt“, sagt Spielleiterin Martina Parzinger.

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