Lehrer-Kolumne zu Weihnachten Über kleine Auszeiten

Mönchengladbach · Die Woche vor Weihnachten ist in Schulen oft eine Mischung aus Besinnlichkeit und Stress. Ein Lehrer berichtet.

 Ein Adventskranz steht für Besinnlichkeit. (Symbolbild)

Ein Adventskranz steht für Besinnlichkeit. (Symbolbild)

Foto: Busch, Franz-Heinrich (bsen)/Busch, Franz Heinrich (bsen)

Montagmorgen, kurz vor zehn Uhr, die Sonne hat es noch nicht ganz geschafft, sich durch die einheitsgraue Wolkendecke zu kämpfen. Ich sitze am Pult und schaue raus, während meine 6. Klasse so langsam ihre Unterrichtsmaterialien auspackt.

Nach der obligatorischen Begrüßung, bitte ich eine Schülerin, das Licht auszumachen. Ich zünde die Kerze auf dem Pult vor mir an und bastle mir eine weitere Lichtquelle aus dem Overheadprojektor. Dann schlage ich mein goldenes, selbstgebasteltes Buch auf. Die Schüler wissen schon, was jetzt kommt: eine Weihnachtsgeschichte.

Gespannt lauschen sie meinen Worten. Es ist eine Art Auszeit – zumindest für zehn Minuten. Eine Auszeit von all dem Stress, den Aufgaben und den Erwartungen, denen die Schüler ständig ausgesetzt sind. Aber auch für mich ist das eine kurze Auszeit.

Noch während ich die Geschichte erzähle, rattert es aber schon wieder in meinem Kopf. Kann ich mir es überhaupt leisten, eine Geschichte zu erzählen? Immerhin schreiben wir nächste Woche die nächste Arbeit. Wir sind mit dem Stoff immer noch nicht durch, und so toll ist die letzte Arbeit nicht ausgefallen. Und es nähert sich das Ende der Erprobungsstufe. Sind alle meine Schüler gut vorbereitet, schaffen es alle, und was könnte ich noch machen, damit sie es möglichst alle schaffen? Apropos schaffen, ich schreibe jetzt noch kurz vor den Weihnachtsferien drei Arbeiten. Die nehme ich dann alle zum Korrigieren mit in die Ferien. Wann mache ich die dann?

 Deutscher Lehrerpreis Felix Nattermann Gymnasium am Geroweiher

Deutscher Lehrerpreis Felix Nattermann Gymnasium am Geroweiher

Foto: Deutscher Lehrerpreis/Sebastian Semmer

Ich merke, dass ich mich beim Vorlesen verhasple. Ich sollte mich wieder mehr auf den Text konzentrieren. Die Kinder hängen noch an meinen Lippen.

Als die Geschichte vorüber ist, zieht schnell wieder der Alltag ein. Hausaufgaben werden verglichen, Aufgaben gestellt, Sachen erklärt und letztlich finden sich gezeichnete Winkel an der Tafel wieder. „Und denkt dran: Nächste Woche schreiben wir die Arbeit.“ Mit diesem Satz beende ich den Unterricht.

Ja, ich freue mich auf Weihnachten – auf diese kleine Auszeit inmitten des täglichen Trubels. Und ich wünsche all meinen Schülerinnen und Schülern sowie meinen Kolleginnen und Kollegen ein schönes ruhiges Weihnachtsfest.

Felix Nattermann ist Lehrer am Gymnasium am Geroweiher. Foto: Sebastian semmer/Deutscher Lehrerpreis

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