Familien in Mönchengladbach Zeugnistag hat Schrecken verloren

Mönchengladbach · Ein Anruf beim Zeugnistelefon ist für viele heute nicht mehr nötig. Schulleistungen bleiben zwar ein Feld für häusliche Konflikte. Doch Kinder sollten auch einfach mal Ferien haben.

 Am Freitag ist Zeugnistag an weiterführenden Schulen. Grundschüler bekommen die Bewertung oft einige Tage vorher.

Am Freitag ist Zeugnistag an weiterführenden Schulen. Grundschüler bekommen die Bewertung oft einige Tage vorher.

Foto: dpa/Ina Fassbender

Es gab Zeiten, da trauten sich Schüler mit ihrem Zeugnis, auf dem vielleicht die eine oder andere Fünf stand, nicht nach Hause. Um diesen Kindern und Jugendlichen beizustehen, gab es Sorgentelefone – auch in Mönchengladbach. Doch dieses Angebot wurde eingestellt, es wird nicht mehr nachgefragt. „Schüler und Eltern kennen die Noten heute deutlich früher“, sagt Judith Lanphen, die Leiterin des Schulpsychologischen Dienstes der Stadt Mönchengladbach. „Das Zeugnis kommt nicht überraschend.“ Am Freitag ist der letzte Schultag vor den Sommerferien in Nordrhein-Westfalen, in diesen Tagen werden die Zeugnisse ausgegeben.

Lutz Hermanns, Schulsozialarbeiter an der Gesamtschule Rheydt-Mülfort, erklärt: „Die Lehrer führen Einzelgespräche mit den Schülern und erläutern die Noten. Die Schüler wissen, wo sie stehen.“ Der eigentliche Zeugnistag hat damit seinen Schrecken verloren. Konflikte über die schulischen Leistungen sind aber nicht verschwunden, sie haben sich nur zeitlich verlagert.

Eltern wenden sich nicht am letzten Schultag, sondern im Laufe des Schuljahrs an den Schulpsychologischen Dienst, wenn es Probleme mit der Leistung der Kinder gibt. „Das erste Gespräch führen wir im allgemeinen mit den Eltern allein“, erklärt Lanphen, seit sieben Jahren als Schulpsychologin tätig. Im Rahmen der weiteren Beratung wird zum Beispiel geklärt: Wie waren die Noten im Vorjahr? Sind die Erwartungen der Eltern angemessen? Passt die Schulform? Beschäftigen das Kind oder den Jugendlichen im Augenblick andere Themen? Es kann viele Gründe für schlechte Leistungen geben. „Die Pubertät ist eine Zeit, in der andere Dinge wichtiger werden als die Schule“, sagt die Psychologin. Vielleicht gibt es aber auch Konflikte in der Familie oder mit Mitschülern, die zu Schulunlust und schlechten Leistungen führen. All dem muss man auf die Spur kommen, wenn die Noten wieder besser werden sollen.

Wichtig ist aber auch der Umgang mit dem Thema Schule im Familienumfeld. „Eltern sollen das Thema Schule ernst nehmen“, sagt Lanphen. „Aber es kann auch einen zu großen Raum einnehmen.“ Es müsse auch Zeiten geben, in denen das Thema nicht präsent ist. „Freizeit mit Entspannung und körperlichen oder sozialen Aktivitäten ist wichtig für Kinder“, betont auch Schulsozialarbeiter Hermanns. „Sie brauchen das unbedingt.“ Dennoch: Eltern machen sich nun mal Sorgen über schlechte Schulleistungen. Was tun? Druck machen? Nachhilfe finanzieren?

Absprachen treffen, sagt die Psychologin. Die Ziele sollten mit dem Kind zusammen festgelegt werden. Regelmäßige Lernzeiten zum Beispiel. Verlässlich Hausaufgaben machen. „Konkrete Vereinbarungen sind sehr hilfreich“, erklärt Lanphen. Sozialarbeiter Hermanns rät auch zum Einsatz von Wecker oder Eieruhr, um Zeitpunkt und Dauer im Blick zu behalten. Die Ziele werden nach einer gewissen Zeit überprüft. Aber dem Kind wird auch Freiraum gegeben. „Ständige Einmischung ist nicht gut und es sollte auch nicht jeden Tag neu verhandelt werden“, sagt die Schulpsychologin. Außerdem empfiehlt sie einen positiven Blick auf die Anstrengung zu richten. „Der Fokus sollte nicht nur auf den Noten liegen, sondern auf dem Einsatz und Lernwillen des Kindes“, sagt die Psychologin.

Der Schulsozialarbeiter lenkt in seinen Gesprächen mit Schülern den Blick auf die Lust am Lernen. „Man lernt am besten, wenn man Spaß dabei hat“, sagt Hermanns. Spaß, wenn man in Englisch oder Mathe ständig Misserfolge hat? Ja, indem man sich einen Lernpartner sucht, erklärt der Sozialarbeiter. „Zu zweit funktioniert das viel besser. So habe ich das in meiner Schulzeit auch gemacht.“ Und wie sieht es mit Nachhilfe in den Sommerferien aus? „Nachhilfe sollte immer nur dazu dienen, die Lücken zu füllen“, sagt Lanphen. Von dauerhaftem Nachhilfeunterricht hält sie nichts. Nach Rücksprache mit der Schule können auch Ferienkurse Sinn machen, aber: „Es muss auch Ferien geben.“ Das meint auch Lutz Hermanns. „Schüler brauchen auch mal Ruhe von der Schule, um inneren Abstand zu gewinnen.“

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