Mönchengladbach Ex-Gefangener kehrt zurück
Mönchengladbach · Drei Jahre war Richard Schulz (78) in russischer Kriegsgefangenschaft. Damals war er Jugendlicher. Bald besucht Schulz die Stätten der Gefangenschaft und erzählt für einen Film ukrainischen Kindern seine Geschichte.
An schönen Tagen hätte er gerne mit einer Freundin am Fluß gebadet. Im Winter wäre er gerne mit ihr ins Kino gegangen. Doch Richard Schulz fehlen diese typischen Jugend-Erlebnisse: Der heute 78-jährige Gladbacher saß als Jugendlicher in polnischen und russischen Kriegsgefangenenlagern, wurde geschlagen, gefoltert, misshandelt, erlebte große Leiden – und verzweifelte dennoch nicht am Leben. Er knüpfte in seiner schwersten Zeit als 15- bis 18-jähriger Kriegsgefangener Bande zur Bevölkerung im Donezgebiet (heute Ukraine) und freute sich, dass sie ihn „Grischka“ nannten. „Diktatoren haben mir die Jugend gestohlen“, sagt Schulz, „Diktatoren, nicht die Menschen.“
Keine Anklage – eine Aufgabe
Und deshalb kehrt „Grischka“ Richard Schulz zurück an die Stätten der Leidenszeit, um ukrainischen Jugendlichen seine Geschichte zu erzählen. Es wird keine Anklage, aber eine Aufgabe. „Ich möchte den Jugendlichen deutlich machen, dass sie nicht auf Rattenfänger hereinfallen, die sie ins Verderben stürzen. Meine Geschichte darf sich nicht wiederholen“, sagt Schulz.
Mit der Kamera begleitet Danylo Cherkashenko den Mönchengladbacher Senior: Der 30-jährige angehende Kameramann legt einen Dokumentarfilm über Grischkas Rückkehr als Diplomarbeit an der Fachhochschule Dortmund vor. „Richard steht stellvertretend für die vielen ,Grischkas’, die in den Kriegsgefangenenlagern lebten“, sagt Cherkaschenko.
In der Tat: Die Geschichte von Richard Schulz ist typisch für seine Generation. Er lebte in dem kleinen Dorf Briesen in Westpreußen, als der Zweite Weltkrieg zu Ende ging. Die Schule hatte Schulz gerade beendet, als er zur Hitlerjugend und zum Volkssturm musste. An einem Samstag im Januar 1945 marschierte die Rote Armee in sein Dorf ein. Die russischen Soldaten nahmen ihn in Kriegsgefangenschaft. Seine Reise ins Lager begann in Posen und führte im Güterzug bis ins Donezgebiet (Ukraine). Der Junge Schulz musste hart im Bergbau arbeiten und zog sich bei einer Sprengung schwere Verletzungen zu. Und doch entwickelte er eine positive Haltung zu den Menschen der ehemaligen Sowjetunion: „Ich habe die Hölle erlebt. Aber nicht alle Menschen sind schlecht.“
Deshalb half der frühere Schlosser nach der Reaktor-Katastrophe in Tschernobyl, begleitete einen Hilfstransport nach Weißrussland und kümmerte sich um strahlenkranke Kinder. Und er bemühte sich um Deutschstämmige, die Länder der ehemaligen Sowjetunion verließen und in Gladbach eine neue Heimat fanden. Auch die Familie von Kameramann Danylo Cherkashenko war darunter: „Als ich von Richards Geschichte hörte, entstand die Idee, sie für einen Dokumentarfilm aufzuarbeiten.“
Der Beitrag wird keine filmische Dokumentation einer Rückkehr ins Lagergebiet. Der Senior trifft sich stattdessen mit ukrainischen Jugendlichen und erzählt von seinen Erlebnissen. Dies soll helfen, Brücken zu schlagen – von Ost nach West, von Alt zu Jung. Schulz’ Auftrag: „Die Jungen sollen lernen, dass Krieg etwas Grausames ist.“