Ulrich Elsen Es muss Koalitionsalternativen geben

Mönchengladbach · Im Gespräch erläutert der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende, warum die Ampel ein schwieriges Geschäft ist, weshalb die Stadt ein Theater braucht – und dass die Rheydter früher am Verkehrskonzept hätten beteiligt werden müssen.

 Ein Lehrer mit starken politischen Ambitionen: Das ist der SPD-Ratsherr Ulrich Elsen (59). Beim Redaktionsgespräch sprach er sich für eine auskömmliche Finanzausstattung des Theaters auch nach 2015 aus.

Ein Lehrer mit starken politischen Ambitionen: Das ist der SPD-Ratsherr Ulrich Elsen (59). Beim Redaktionsgespräch sprach er sich für eine auskömmliche Finanzausstattung des Theaters auch nach 2015 aus.

Foto: Ilgner

Im Gespräch erläutert der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende, warum die Ampel ein schwieriges Geschäft ist, weshalb die Stadt ein Theater braucht — und dass die Rheydter früher am Verkehrskonzept hätten beteiligt werden müssen.

Herr Elsen, bis zum Jahr 2015 existiert ein Finanzkonzept für das Theater. Wie soll es danach weitergehen?

Elsen Das Theater hat seine Vorgaben erfüllt, es ist jetzt fünf Jahre mit einem gedeckelten Haushalt zurechtgekommen. Es hat erheblich gespart. Wir sind in der Pflicht, wenn wir die 400 Mitarbeiter zumindest an der normalen Gehaltsentwicklung beteiligen wollen.

Ist das denn finanzierbar?

Elsen Schauen Sie doch zum Beispiel nach Aachen: Dort gibt es ein Theater von vergleichbarer Größe. Es kostet 17 Millionen Euro im Jahr, unseres elf. Das sind weit weniger als drei Prozent des Kulturetats. Zudem gibt es auch schon positive Signale aus Krefeld, das zusätzliche Mittel zur Verfügung gestellt werden...

Aber braucht denn Mönchengladbach überhaupt ein Theater?

Elsen Ein Theater ist ein Identifikationspunkt einer Stadt. Es ist wichtig für die Attraktivität und Lebensqualität. Wenn Sie auf diese Form der Hochkultur verzichten, schneiden Sie einen Ast ab, den Sie nie wieder zurückgewinnen.

Ist die mediale Konkurrenz nicht in Zeiten des Internets und Fernsehens zu groß geworden?

Elsen Ja, sie ist groß. Aber schauen Sie sich doch amerikanische mittelgroße Städte an, wie trostlos sie sind! Ein Theater ist ein Muss in einer Stadt, ein Zeichen der Urbanität. Und noch einmal: Vergessen Sie nicht, wir reden auch über 400 Arbeitsplätze.

Wird es bei der nächsten Aufsichtsratssitzung schon eine Entscheidung geben?

Elsen Es werden dort erst einmal nur die Zahlen vorgestellt.

Ist Generalintendant Michael Grosse der richtige Mann für diese schwierige Zeit?

Elsen Ja, er ist Realist, hat Augenmaß, Verstand und eine gute Art des Nicht-Anbiederns.

Denken Sie, Ihre Ansicht ist in der SPD-Fraktion konsensfähig? Es wird immer wieder betont, überall müsse gespart werden.

Elsen Wir werden sicherlich das Sparpotenzial im Aufsichtsrat erörtern. Dann muss diskutiert werden. Davor habe ich keine Angst.

Apropos SPD: Werden Sie weitermachen nach dieser Wahlperiode?

Elsen Wenn die SPD sagt, ich soll meine Arbeit fortsetzen, dann werde ich das tun. Ich mag Politik, ich mag diese Stadt.

Fraktionsvorsitzender Lothar Beine hat schon angekündigt, sich aus der Politik zurückzuziehen. Können Sie sich vorstellen, als stellvertretender Fraktionschef nachzurücken?

Elsen Ich kann mir das vorstellen, allerdings nur ungern. Meine Freiheiten sind mir wichtig. Und vielleicht gibt es auch jemanden, der das besser könnte.

Stimmt eigentlich der Eindruck, dass Sie kein besonders großer Fan der Ampel sind?

Elsen Koalitionsarbeit ist ein schwieriges Geschäft. Es braucht Frustrationstoleranz. Ich halte zum Beispiel die Entscheidung hinsichtlich der City-Ost für grundverkehrt. Es ist wichtig, dass es im kommunalpolitischen Bereich eine Fülle an Koalitionsalternativen gibt.

Wünschen Sie sich, dass Norbert Bude noch einmal als Oberbürgermeister kandidiert?

Elsen Selbstverständlich.

Glauben Sie daran?

Elsen Ja.

Den Bürgern wird immer mehr Geld abgeknöpft, andererseits reduziert die Stadt ihre Leistungen. Denken Sie, das wird sich politisch rächen?

Elsen Ich glaube an die Kraft des Arguments. Man muss den Mut haben, den Leuten die Wahrheit zu sagen, Prioritäten zu setzen. Die Menschen vermissen oft eine klare Linie.

Ein Blick nach Rheydt: Finden Sie sich noch zurecht?

Elsen Ich kann gut verstehen, wenn die Menschen sich angesichts der Verkehrssituation fragen: "Was ist da los?" Die Verwaltung muss jetzt ganz schnell ein Konzept oder zwei Konzepte entwickeln, die mit den Bürgern intensiv diskutiert werden. Dann muss eine endgültige Entscheidung gefällt werden.

Ist es dafür nicht jetzt schon viel zu spät?

Elsen Man hätte den Bürgern in Rheydt früher ausgereifte Pläne vorlegen sollen.

Gehören Autos in die Rheydter Innenstadt?

Elsen Ich denke, dass die Menschen mobil sein wollen. Auch im europäischen Ausland wird der Verkehr in kleinen Städten nicht mehr komplett aus dem Ortskern verbannt. Er wird verlangsamt, umgeleitet. Das ist der Ansatz.

Also wird Gladbach doch keine Fahrradstadt?

Elsen Ich sehe keinen Widerspruch zwischen Auto- und Fahrradstadt. Man muss nur vernünftig planen, entscheiden, wo Autos sein sollen, und wo Fahrräder.

Brauchen wir eine neue Bibliothek?

Elsen Die Ampel hat jetzt ein Modell vorgelegt, wie eine neue Bücherei finanziert werden kann. Wir müssen aber genau prüfen. Und diese Prüfung wird nicht getragen sein von kulturpolitischen Träumen, sondern von Fakten.

Die Schülerzahlen werden Jahr zu Jahr sinken. Denken Sie eigentlich, dass Gladbach zu viele Gymnasien hat?

Elsen Eigentlich sollten wir froh sein, dass wir so viele haben. Aber rein rechnerisch kämen wir sicherlich mit einem Gymnasium weniger aus. Unser Problem zurzeit ist, dass wir die Züge steuern müssen.

Das heißt, nicht jeder kommt mehr auf sein Wunschgymnasium?

Elsen Ja, das betrifft die beliebtesten Schulen: Wenn ihre Züge voll sind, müssen sie Schüler auf andere Gymnasien hinweisen.

Wird es in Zukunft noch Haupt- und Realschulen in der Stadt geben?

Elsen Ich halte die Sekundarschule — also eine integrierte Schulform ohne eigene Oberstufe — für vernünftig. Ich hoffe, dass wir in den kommenden ein oder zwei Jahren ein Pilotprojekt auf den Weg bringen.

Wissen Sie schon wo?

Elsen Nein. Vorstellen könnte ich es mir aber in Rheydt, Mülfort oder beim Volksgarten. Dort würden die Strukturen passen.

Ist eigentlich am Schulsystem Ihrer Meinung nach in den vergangenen Jahren zu viel herumgedoktert worden?

Elsen Andere Länder sind pragmatischer. Bei uns werden leider oft Glaubenskriege geführt.

Stichwort G8.

Elsen Ich habe das nie für notwendig gehalten. Das war eine typische Idee der 1990er, der New Economy. Allerdings würde ich davor warnen, jetzt alles wieder zurückzudrehen.

Erfahren Sie Schüler als überfordert?

Elsen Das bisher nicht. Aber Kinder und Jugendliche brauchen Zeit, um sich zu orientierten. Sie brauchen ein Moratorium.

Denken Sie, dass zu viele Abitur machen?

Elsen Nein. Aber wir bräuchten mehr, die wüssten, warum sie es machen. Hilfe bei der Berufsorientierung ist wichtiger denn je.

Noch einmal nach Rheydt: Wo soll der Alufant hin?

Elsen Ich halte es nach wie vor für vernünftig, ihn auf dem Platz gegenüber vom Einrichtungshaus Tellmann aufzustellen. Er würde dort eine Funktion als Landmarke erfüllen und auch den Kreisverkehr aufwerten. Auf dem Harmonieplatz steht er wieder in Konkurrenz zu anderen Bauwerken, schlimmstenfalls würde er erdrückt.

Wie zufrieden sind Sie eigentlich mit Peer Steinbrück als SPD-Kanzlerkandidat?

Elsen Ich halte ihn für einen intellektuell sehr spannenden Mann. Es wird darauf ankommen, ob er es schafft, komplexe Themen verständlich und einfach zu kommunizieren, sie herunterzubrechen.

Vor kurzem kritisierte er das Kanzlergehalt. Verdienen Lehrer eigentlich auch zu wenig?

Elsen (lacht) Ich konnte immer gut davon leben. Ich bin auch nicht wegen des Geldes Lehrer geworden!

DAS GESPRÄCH FÜHRTEN RALF JÜNGERMANN, DIETER WEBER, INGE SCHNETTLER, DIRK RICHERDT UND FABIAN EICKSTÄDT.

(RP)
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