Peter Schallenberg Und Arnd Küppers Ernste Bewährungsprobe für Europa

Mönchengladbach · Die Sozialethiker tagen wieder in der Stadt. Sie sprechen darüber, wie Kirchen die europäische Idee stützen können.

 Professor Peter Schallenberg (l.) und Arnd Küppers haben das Leitthema für die Konferenz nächste Woche bestimmt.

Professor Peter Schallenberg (l.) und Arnd Küppers haben das Leitthema für die Konferenz nächste Woche bestimmt.

Foto: Detlef Ilgner

Bei zwei Sozialethiker-Tagungen der Katholischen Sozialwissenschaftlichen Zentralstelle (KSZ) in Mönchengladbach befassten sich Theologen, Sozialwissenschaftler und Politiker mit Migration und Integration. Als Leitthema für die kommende Konferenz haben die KSZ-Direktoren, Professor Peter Schallenberg (54) und sein Stellvertreter Arnd Küppers (44), den Titel gewählt: "Populismus und Renationalisierung - Bewährungsprobe für Europa und seine Demokratie". Das Treffen am 14. und 15. Juni im Rathaus Abtei entstand in Zusammenarbeit mit der Kommission der Bischofskonferenzen der Europäischen Gemeinschaft. Über das Europa-Projekt äußern sich Peter Schallenberg und Arnd Küppers.

Kaum ist der Brexit angezählt, erscheint Italien als nächster Wackelkandidat im Kreis der EU-Mitglieder, es gibt ungelöste Spannungen zwischen Ländern. Steht Europa am Scheideweg? Und ist seine demokratische Verfasstheit gefährdet?

Peter Schallenberg Europa lässt uns mit seinen Problemen nicht los. Da liegt es nahe, die Zusammenarbeit mit dem kirchlichen Ansprechpartner für die Europäische Kommission und das Europa-Parlament, COMECE, fortzusetzen. Der Essener Bischof Franz-Josef Overbeck ist Vizepräsident der COMECE. Er wird bei unserer Tagung einen Vortrag über die Anfechtungen der Demokratie als Herausforderung für Christen halten. Als Einrichtung der Deutschen Bischofskonferenz beobachten wir, dass Demokratien in Europa sehr unterschiedlich funktionieren. Dies berührt Fragen nach Grundwerten, Rechtssicherheit oder sozialer Marktwirtschaft in Europa.

Bereits bei den Sozialethischen Gesprächen 2017 richteten Sie den Blick auf die Verhältnisse in Osteuropa. Weil dort demokratische Spielregeln in Gefahr zu geraten scheinen?

Schallenberg Unser Blick geht nicht nur in die eine Richtung. Denn populistische Bewegungen finden sich ebenso ausgeprägt in westlichen und mitteleuropäischen Ländern. Dass unser eigenes Land da keine Ausnahme bildet, haben die letzten Wahlen ja gezeigt. Arnd Küppers Das gewählte Thema ist hochaktuell, die Debattenlage über Europa hat sich gravierend verändert. Überall in Europa ist eine Stärkung der populistischen und nationalistischen Kräfte festzustellen. Im Zuge der Wahl des französischen Präsidenten Macron mit der dadurch ausgelösten Euphorie ist ein bisschen aus dem Bewusstsein geraten, wie tief die Krise ist, die wir zurzeit erleben.

Was können die Kirchen, was kann die katholische Kirche dazu beitragen, um dem Auseinanderdriften der europäischen Staaten Einhalt zu tun?

Schallenberg Die religiösen Bindungskräfte in osteuropäischen Staaten sind sehr unterschiedlich. In Ungarn gibt es neben der römisch-katholischen Kirche einen starken Anteil an Mitgliedern der calvinistisch reformierten Konfession, die Viktor Orbán stützen. Bulgarien und Rumänien sind orthodox geprägt mit katholischen Minderheiten. Tschechien und Polen sind überwiegend katholisch. Doch unabhängig von der Religion eint die Europakritiker in diesen Staaten die Abwehr des Brüsseler Zentralismus. Die Kirche sollte es als Auftrag verstehen, die nationalen Grenzen zwischen den Staaten niedrig zu halten und Trennendes aufzuheben. Die Konflikte erstrecken sich aber auch auf die Ebene der nationalen Bischofskonferenzen, dort gibt es viel Uneinigkeit über den richtigen Weg. Küppers In Polen und Ungarn gibt es durchaus auch Bischöfe, die den sogenannten "EU-Zentralismus" kritisieren. Nicht zuletzt deswegen machen wir ja Tagungen wie diese jetzt in Mönchengladbach. Auch in der katholischen Kirche finden sich Kräfte, die auf Abgrenzung setzen. Dagegen gilt es Überzeugungsarbeit zu leisten.

Sie haben Experten eingeladen, die von Gefahren für die Union und die Demokratie berichten, darunter den EU-Parlamentarier Elmar Brok. Was hat Sie bei der Auswahl geleitet?

Küppers Wir wollen hochkompetente, zudem europaweit gut vernetzte Experten hören. Elmar Brok ist einer der erfahrensten Politiker im Europaparlament. Wir freuen uns, dass er und Bischof Overbeck am Freitag in einer offenen Diskussionsrunde über den Zustand der EU miteinander sprechen werden. Und beim ersten Panel der Konferenz am Donnerstag wird uns Thomas Petersen vom renommierten Institut für Demoskopie Allensbach einen guten Überblick geben können, wie die politische Stimmung der Menschen in Europa derzeit ist, ob Nationalismus und Populismus tatsächlich zur Gefahr für die Demokratie werden können. Mit ihm werden Klaus Stüwe, Professor für Vergleichende Religionswissenschaft, und Bernd Hüttemann, Generalsekretär der Europäischen Bewegung Deutschland, diskutieren.

Wie sollten Katholiken, aber auch andere Christen damit umgehen?

Schallenberg Ich gehe davon aus, dass Bischof Overbeck deutlich machen wird, dass Christen die europäische Idee stützen sollten, um Feindseligkeit unter, aber auch innerhalb von Staaten zu bekämpfen. Symptomatisch dafür sind nach wie vor bestehende Zwistigkeiten, zum Beispiel in Nordirland, Flandern oder auf dem Balkan. Es wird spannend, wenn in vielleicht zehn Jahren Serbien in die EU aufgenommen wird. Ein Land, das mit dem bereits aufgenommenen EU-Staat Kroatien lange Zeit in erbitterter Feindschaft gelebt hat. Das kirchlicherseits zu begleiten, wäre ein wichtiges christliches Friedensprojekt.

Zurück in die Gegenwart: Was tun die Kirchen in Deutschland, um Gefahren für die Demokratie abzuwehren?

Küppers Das Problem ist den Kirchen sehr bewusst. Derzeit wird ein gemeinsames Wort der Deutschen Bischofskonferenz und der Evangelischen Kirche in Deutschland zu dem Thema vorbereitet.

Die Schlussphase der Tagung öffnet sich für Vertreter aus Osteuropa, es sprechen Experten aus Ungarn, Tschechien und Bulgarien. Müssen Sie nicht damit rechnen, dass diese Gäste die kritischen, in Ungarn offen antidemokratischen Entwicklungen in ihren Ländern relativieren und rechtfertigen?

Küppers Da kommen ganz sicher keine weisungsgebundenen Regierungssprecher, sondern unabhängige Wissenschaftler und kritische Geister. Melani Barlai zum Beispiel ist eine junge Politikwissenschaftlerin von der Universität Budapest, die auch zivilgesellschaftlich engagiert ist. Sie hat eine Internetplattform zur unabhängigen politischen Information in Ungarn mitbegründet. Schallenberg Der Soziologe Tomá Halík aus Prag ist einer der bekanntesten Intellektuellen Osteuropas und ohne Zweifel ein ganz unabhängiger Kopf, das gilt ebenso für den Philosophen Hristo Todorov aus Sofia.

DIRK RICHERDT FASSTE DAS GESPRÄCH ZUSAMMEN

(RP)
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