Mönchengladbach Er ist die Gladbacher Bank - bis Mittwoch

Mönchengladbach · 59 Jahre hat Heinz Gotzens für die Gladbacher Bank gearbeitet, davon 47 Jahre an der Spitze. Seine Ziele, sein Anstand und sein Stil haben die Bank zu dem gemacht, was sie heute ist - in strategischen Fragen genauso wie bei der Schuhwahl.

Wenn der 76-jährige Aufsichtsratsvorsitzende Gotzens sich an den 16-jährigen Lehrling Heinz erinnert, lächelt er milde tadelnd und zugleich stolz. An seinem allerersten Arbeitstag, dem 1. April 1956, wurde Heinz Gotzens von seinem Chef nach seinen Zielen befragt. "Ich will, dass irgendwann mein Name unten im Briefbogen steht", sagte der frisch gebackene Lehrling. Und er meinte es ernst. Berufsziel: Chef der Bank. "Frech war das", sagt Heinz Gotzens rückblickend. Aber eben auch ehrlich. Ziele zu haben und sie zu verfolgen, mit Stil und Respekt - das gefällt Heinz Gotzens. Und es hat ihn weit gebracht. 47 Jahre stand sein Name tatsächlich im Briefbogen der Gladbacher Bank, die ihm nicht nur ihren Namen verdankt. 35 Jahre war er Vorstand, 12 Jahre Aufsichtsratsvorsitzender. Bis Mittwoch. Dann ist Schluss.

Warum eigentlich, fragen sich viele, die den topfitten und hellwachen Banker erleben. Er habe keine Lust, dass man ihn mit 80 Jahren aus dem Amt tragen müsse, sagt er dann. Der wichtigste Grund ist aber dieser: Vor drei Jahren hat er erklärt, sich nun ein letztes Mal zum Vorsitzenden des Aufsichtsrates wählen zu lassen. Auch dieses letzte Berufsziel wird er selbstverständlich erreichen. Obwohl es ihm schwer fällt. "Ich bin nicht wehleidig wegen meines Abschieds. Wehmütig bin ich aber schon", sagt Heinz Gotzens. Das ist für einen Mann, dem es zuwider ist, Aufhebens um sich zu machen, und der als passionierter Zeitungsleser am liebsten keine Zeile über sich selbst in der Zeitung lesen würde, ein freimütiges Eingeständnis.

Wer in dieser Stadt Heinz Gotzens sagt, denkt in derselben Sekunde Gladbacher Bank. Und umgekehrt. 59 Jahre hat er nun für das Haus gearbeitet. 47 Jahre in höchster Verantwortung. Das Haus hat Tradition, führt das Gründungsjahr 1922 im Namen. Die größte Tradition aber ist Gotzens selbst. Seine Maßstäbe sind zur DNA der Bank geworden. Auszubildende, die ihm auf dem Flur zur Begrüßung ein "Hallo" zurufen, bekommen auch heute noch einen kurzen Vortrag über angemessene Grußformeln. Früher überlegte die Sekreträtin schon mal ernsthaft, einen eingeladenen Bewerber gar nicht zum Chef vorzulassen. "Er hat graue Schuhe an. Soll ich ihn trotzdem reinschicken?", fragte sie. Graue Schuhe zum schwarzen Anzug? Das gab es in Gotzens Gladbacher Bank nicht. "Bei Schuhen bin ich streng", sagt er fast entschuldigend und schiebt hinterher, wie sich die Mode über die Jahre entwickelt hat.

Heinz Gotzens ist so konservativ, wie es Menschen sind, die um die Bedeutung von Anstand und Stil wissen. Und so progressiv, wie man sein muss, wenn man ein Unternehmen über Jahrzehnte ganz oben halten will. Schon 1966 hatte die Bank eine EDV-Anlage. Sie nahm fast 60 Quadratmeter Platz ein. Die Bank wuchs stetig: Nicht nur durch Um- und Anbauten am Stammsitz an der Bismarckstraße, sondern auch durch die Fusion mit der Rheydter Volksbank. Besonders viel Hartnäckigkeit brauchte Gotzens, um den Namen der Bank zu ändern. Den alten Namen "Kreditbank Gladbach AG", fand er zu umständlich und zu wenig trennscharf. "Mönchengladbacher Bank" zu lang. So wurde es denn die "Gladbacher Bank" mit dem Zusatz "Aktiengesellschaft von 1922". Sie steht für Solidität und Seriosität. Also für all das, was Menschen in Deutschland über Jahrzehnte automatisch mit Bankern verbunden haben. Bis in einigen Großbanken Manager die Bodenhaftung verloren: "Sie haben auch unserem Ruf geschadet." Auf seine Karriere blickt der 76-Jährige nüchtern-analytisch. "So merkwürdig das klingen mag: Meine Generation hat vom Krieg profitiert", sagt er. Mit 28 Jahren in höchste Verantwortung zu kommen, sei für alle Nachfolgenden undenkbar gewesen. Doch der Krieg hatte eine Generation an potenziellen Führungskräften ausgelöscht. Die Jungen mussten ran. Diejenigen, die sich zu wirklich Großen entwickelten, bekamen Jahrzehnte später alle die gleiche, schwierige Aufgabe: Wie lässt man neben sich Führungsnachwuchs wachsen? Für wie unersetzlich hält man sich? Wie verantwortungsbewusst regelt man also die Nachfolge? Auch in dieser Frage ist Gotzens sein Ziel systematisch angegangen. Frühzeitig stellte er gleich mehrere Nachwuchs-Führungskräfte ein. Zwei sind heute seine Nachfolger im Vorstand.

Derweil gönnt sich Gotzens wahren Luxus. Zum Beispiel, mit seinem Enkel, der in der Nähe von München lebt und glühender Borussia-Fan ist, eine Stadionführung im Borussia-Park zu machen. Oder gemeinsam mit einem Freund als Alterstudent an der Universität Bonn Vorlesungen zu hören. Vor allem zu der Zeit, über die er damals in der Schule nichts lernte. "Geschichte hörte bei uns mit dem Boxeraufstand 1905 auf. Was danach kam, will ich begreifen", sagt er.

Für die nahe, mittlere und weitere Zukunft bleiben Heinz Gotzens reichlich Ziele. Erstens: Den Mittwoch, den Tag der letzten Hauptversammlung, gut zu überstehen. Zweitens: Nicht zu viel der freien Zeit auf dem Golfplatz zu verbringen. Drittens: Das nächste Mal erst wieder zum 100. Geburtstag in der Zeitung vorzukommen. Das ist ähnlich forsch formuliert wie einst vom Lehrling Heinz. Man sollte also davon ausgehen, dass es ihm gelingen wird.

(RP)
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